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LVR

"Dem Spekulationstreiben der WestLB ist von den herrschenden Parteien tatenlos zugesehen worden."

Jörg Detjen, Vorsitzender Linksfraktion im LVR

Rede zur Verabschiedung des Haushalts 2008 in der Landschaftsversammlung Rheinland am 10. März 2008 gehalten von Jörg Detjen, Vorsitzender DIE LINKE. in der Landschaftsversammlung Rheinland

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

meine Damen und Herren,

die Herabsetzung der Landschaftsumlage auf 15,85% halten wir für den richtigen Weg. Wir werden die Gestaltungsmehrheit in dieser Frage unterstützen. Einen Fehlbetrag von 80 Mio. im Finanzplan einzukalkulieren, wie das CDU-Modell dies vorsieht, halten wir für grob fahrlässig.

Erneut regen wir an, den Verkauf RWE-Aktien zu prüfen. Der LVR hatte bei den letzten Schwierigkeiten der WestLB 700.000 Aktien verkauft. Würden wir jetzt noch einmal 500.000 Aktien verkaufen, würde der Fehlbetrag ausgeglichen und der LVR hätte immer noch 1,3 Mio. Aktien. Eigentlich hätte der Kämmerer das Anfang des Jahres machen müssen. Dass die Landesregierung in Sachen WestLB so kläglich versagen würde, konnte der Kämmerer auch nicht ansatzweise ahnen. Ministerpräsident Rüttgers hatte großspurig erklärt, er würde schon ein solides Sanierungskonzept vorlegen. Wir stehen heute vor einem Scherbenhaufen. Dass Finanzminister Linsen eine Fusion von WestLB und IKB-Bank anstrebt, schlägt dem Fass den Boden aus.

Viele von Ihnen werden sich noch an den Auftritt von Herrn Fischer hier in der Landschaftsversammlung erinnern. Er erweckte den Eindruck, die WestLB sei inzwischen von hochriskanten Spekulationsgeschäften zu soliden Finanzierungen übergegangen. Inzwischen wissen wir, dass das gelogen war. Mein Kollege Busche hat die Bank und Herrn Fischer damals wegen ihrer internationalen Geschäfte hier in diesem Saal heftig kritisiert. Es gab damals Zuspruch, der war aber gering. Nur die Grünen haben die WestLB im Land ab und zu kritisch begleitet.

Dem Spekulationstreiben der WestLB ist von den herrschenden Parteien tatenlos zugesehen worden. Und wenn man heute danach sucht, welche Konsequenzen aus den Milliarden-Verlusten gezogen werden, findet man nichts.

Klar ist nur, die Kommunen, d.h. die Einwohner vor Ort müssen die Milliarden zahlen. Die Kommunalhaushalte werden ab 2008 über die Landschaftsumlage, Verluste bzw. Einlagen der Sparkassen usw. angegriffen. Dieses Geld wird in der Sozial- und Bildungspolitik fehlen. Das WestLB-Desaster werden wir erst in den nächsten Jahren richtig zu spüren gekommen.

DIE LINKE. wird dafür eintreten, dass das LVR-Motto ?Qualität für Menschen? darunter nicht leidet. Wir werden die Gestaltungsmehrheit unterstützen, wenn sie Qualität erhalten möchte, aber bekämpfen, wenn sie Qualität ausdünnen und abbauen will. Wir wissen alle, bei ?Ambulant vor Stationär? sind beide Wege möglich.

Ich möchte das mal an einem Beispiel deutlich machen: Sie haben den Antrag ?Integration von Menschen mit Behinderung in das Arbeitsleben fördern? eingebracht. Wir werden diesen unterstützen. Ihre kapitalromantische Fehlinterpretation müssen wir aber kritisieren. Sie wollen die ?Öffentlichkeitsarbeit des Integrationsamtes optimal an die Interessen und Bedürfnisse der Arbeitgeber anpassen.? Private Arbeitgeber haben das Interesse und die Bedürfnisse Profit zu maximieren. Dass wir denen so viele Zuschüsse zahlen, das die noch saftige Gewinne einstreichen, kann ja wohl nicht gemeint sein. Oder? Der Landschaftsverband und die Politik haben die Aufgabe, von den Unternehmen auch ein gewisses Sozialverhalten einzufordern. Das ist genau das Gegenteil von ihrer Profitlogik.

Oder ein anderes Bespiel: In den Einrichtungen der Jugendhilfe wird wichtige und gleichzeitig schwierige Arbeit geleistet. Jugendliche, die in unserer Gesellschaft nicht Fuß fassen, werden hier außerhalb ihrer Herkunftsfamilien gefördert. Dazu gehört schulische und berufliche Bildung und das Erlernen unserer gesellschaftlichen Normen. Das braucht erfahrenes Fachpersonal. Die Einstellungspraxis des LVR sieht aber so aus, dass bei Stellenneubesetzungen die Beschäftigten immer wie Berufsanfänger eingruppiert werden, unabhängig welche Berufserfahrung sie schon mitbringen. Für erfahrene Kräfte, die sich von außerhalb, aber auch innerhalb des LVR auf diese Stellen bewerben, sind diese Arbeitsplätze nicht mehr attraktiv genug.

DIE LINKE. ist der Überzeugung, dass es im Sinne der Qualität der Jugendhilfe im Rheinland absolut notwendig ist, dass sich Berufserfahrung im Berufsfeld wieder lohnen muss. Wir brauchen gutes Personal, deshalb guten Lohn für gute Arbeit.

Schließlich müssen Beschäftigte im öffentlichen Dienst unter immer schwierigeren Arbeitsbedingungen Ihren Auftrag erfüllen, wie beispielsweise die starke Zunahme der Patientenübergriffe in den Rheinischen Kliniken zeigt.

Wir begrüßen ausdrücklich den Antrag der Gestaltungsmehrheit auf Probewohnen im Rahmen des Anreizprogramms Ambulant vor Stationär. Bereits im Mai letzten Jahres hatten wir im Sozialausschuss eine Anfrage dazu gestellt. Wir fragten u. a. kritisch nach den Möglichkeiten, die einmal getroffene Entscheidung der Betroffenen zur revidieren, wenn sie sich nach den ersten Erfahrungen doch gegen das ambulante Wohnen entscheiden. Insbesondere der Verlust des Heimplatzes und damit der gewohnten Umgebung ist ein Problem des bisherigen Systems. Wir freuen uns, dass die Gestaltungsmehrheit nun unsere Kritik aufgreift.

Die Gestaltungsmehrheit möchte durch ihren Antrag die Rolle der Sozialpsychiatrischen Zentren (SPZ) durch die Verwaltung überprüfen und evtl. neu definieren lassen. Dieses Anliegen ist richtig. Auf der anderen Seite hat sich das Klientel der SPZ in den letzten Jahren drastisch verändert. Für so genannte ?Systemsprenger?, junge Menschen mit oft verschiedenen psychischen Erkrankungen und / oder Drogensucht gibt es kaum adäquate Hilfeangebote.

Für diese Menschen und andere mit einem intensiven Hilfebedarf will DIE LINKE. diese Lücke schnell schließen. Natürlich basierend auf der vorhandenen Angebotsstruktur der SPZ. Modellprojekte, die die Sozialpsychiatrischen Zentren entwickeln, sind dabei ein Instrument das zum gewünschten Ziel führen kann. Um hier relativ schnell ein hochwertiges Angebot zu entwickeln und den Betroffenen zur Verfügung zu stellen, steht unser Antrag. Die Gestaltungsmehrheit stimmt dem Antrag zu, die CDU hat die Zeichen der Zeit leider nicht erfasst.

Der Landschaftsverband Rheinland betreibt Förderschulen auf einem hohen Niveau. Das sollte uns aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Aussonderung behinderter Kinder ein deutsches Auslaufmodell ist.

Wir glauben, die Entwicklung weg von Sondereinrichtungen hin zu einer integrativen Schule ist ein unumkehrbarer Prozess, denn er entspricht den Wünschen der Eltern und letztlich auch der Schüler. Das Anreizprogramm der Gestaltungsmehrheit zur Förderung der Integration geht zwar in die richtig Richtung. Wir hätten uns hier aber einen offensiveren Kurs des LVR gewünscht. Wir vermissen die Rolle der vom Land demnächst einzurichtenden Kompetenzzentren, für die sich auch vier Förderschulen des LVR beworben haben. Diese Kompetenzzentren haben in Schleswig-Holstein eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung hin zu einer integrativen Schule als Regelschule gespielt. Alle Kinder werden hier nach einem allgemeinen Lehrplan unterrichtet, der durch einen Förderteil ergänzt wird. Das Kompetenzzentrum betreut alle Kinder in einem Einzugsbereich, egal ob behindert oder nicht behindert. Deshalb sollte dieses Instrument künftig besser genutzt werden.

Im Landschaftsverband diskutieren wir intensiv über die Zukunftssicherung der Rheinischen Klinken. Wir sind uns mit der Gestaltungsmehrheit und der Verwaltung, sogar mit der CDU einig, dass es eine Privatisierung der Klinken nicht geben darf. Die Umwandlung in eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist inzwischen auch vom Tisch. Dass die Kliniken eigenbetriebsähnliche Einrichtungen bleiben sollen, begrüßen wir. Dass Ressourcen gebündelt und zusammengelegt werden, halten wir für richtig.

Ob Privat-Stationen die Einnahmenseite und das Know-How der Kliniken verbessern werden, möchten wir doch stark bezweifeln. Wir unterstützen die Verwaltung im Anliegen, eine Qualitätsmarke ?Rheinische Kliniken? zu entwickeln. Sie muss einen gemeinwohlorientierten Ansatz und Zielsetzung haben und sich klar abgrenzen von privaten Rechtsformen und Handlungsweisen. Gemeinwohlorientierte Unternehmen können auch schnell, effizient und schlagkräftig arbeiten und wirtschaften. An einem solchen Prozess wollen wir mitwirken. Die Beteiligung einzelner Klinken an GmbHs lehnen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Auch wenn es nur kleine Beteiligungen sein sollen, halten wir diesen Schritt für problematisch. Aber der Diskurs wird andauern und dann sollte man dieses Thema noch einmal sehr konkret an Fallbeispielen diskutieren und den Vor- und Nachteil aufzeigen.

Wir machen uns doch etwas Sorgen um die Entwicklung der Rheinland Kultur GmbH. Hier muss die Verwaltung rasch ein Sanierungskonzept entwickeln. In diesem Zusammengang sollte auch die Rückabwicklung in einen Eigenbetrieb ernstlich erwogen werden. Wir finden es unerträglich, dass durch fahrlässiges Management Beschäftigte nicht mehr weiterbeschäftigt wurden bzw. noch entlassen werden können. Auch Reinigungsfrauen in einer LVR-GmbH die unsere Museen und Kliniken putzen sind für DIE LINKE. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes.

Und im Übrigen möchte ich an diese Stelle klar und deutlich sagen, unsere Solidarität gehört den Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die eine deutliche Lohnerhöhung brauchen. Die kommunalen Arbeitgeber müssen nachgeben.

Wir werden uns bei der Gesamtabstimmung enthalten, weil

1. der Haushalt sehr viele Pflichtaufgaben erfüllen muss und

2. der Haushalt Verschlechterungen, aber auch Verbesserungen des Status Quo enthält, zu denen auch wir mit unserem Antrag beigetragen haben.