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LVR

"Die Finanzsituation der Kommunen ist dramatisch ? und entsprechend sind auch die Einnahmen des LVR aus der Landschaftsumlage gefährdet!"

Ulrike Detjen (Vorsitzende DIE LINKE. im LVR)

Haushaltsrede von Ulrike Detjen, Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Landschaftsverband Rheinland 2010

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

DIE LINKE hält es für notwendig, die Landschaftsumlage zu erhöhen. Wir wissen allerdings auch, dass dies eine Belastung für die Mitgliedsgemeinden ist. Jedoch: Das, was aus der Umlage finanziert wird, müssten die Gemeinden sonst selbst und direkt tragen.

Meine Damen und Herren von den Freien Wählern und der CDU: Wenn Sie die Landschaftsumlage beim jetzigen Satz belassen wollen, ist das eine populistische Milchmädchenrechnung. Sie können nicht auf der einen Seite ihre Bürgerinnen und Bürger, die von Grundsicherung leben, dazu ermuntern, in das Programm Ambulant vor stationär zu wechseln, und auf der anderen Seite hoffen, die Kosten dafür lösen sich in Luft auf. Diese Kosten entstehen ? nur dann eben beim Landschaftsverband.

Die Finanzsituation der Kommunen ist dramatisch ? und entsprechend sind auch die Einnahmen des LVR aus der Landschaftsumlage gefährdet. Kommunen und ihre Zweckverbände stehen vor der schier unmöglichen Aufgabe, ihren Pflichtaufgaben nachzukommen, obwohl die Einnahmen wegbrechen. Ursache für die katastrophale Situation ist im wesentlichen nicht die Ausgabenpolitik der Kommunen und auch nicht die des Landschaftsverbandes. Ursachen sind auf der einen Seite die Finanz- und Wirtschaftskrise, die die Steuereinnahmen zusammenbrechen lässt. Zu einem erheblichen Teil sind es aber auch politische Beschlüsse auf Bundes- und Landesebene, die immer mehr Aufgaben auf die Kommunen abwälzen, ohne für die notwendigen finanziellen Mittel zu sorgen. Der stetige Rückgang der Schlüsselzuweisungen des Landes ist ein Beleg dafür ? auch die letzte und leider noch immer im Amt sitzende Landesregierung hat die Schlüsselzuweisungen gekürzt. Schwarz-Gelb treibt die Kommunen und ihre Zweckverbände auf allen Ebenen in den Ruin. Das ist übrigens nicht nur die Auffassung der LINKEN ? die jüngste Neusser Erklärung des Städtetages Nordrhein-Westfalen ist ein deutliches Zeugnis dafür.

Kommen wir zur einem weiteren ruinösen Aspekt. Der neoliberale Versuch, mit der WestLB öffentliche Daseinsvorsorge aus Spekulationsgewinnen zu finanzieren, ist entsetzlich gescheitert. Es war ein sehr teurer Versuch, und zudem einer, der nicht nur die WestLB selbst, sondern auch die Sparkassen, die nrw.bank, das Land NRW und die Landschaftsverbände mit weiteren Haftungsrisiken belastet. Wir alle hier wären, glaube ich, erleichtert, wenn der LVR keine Anteile und keine Haftungsrisiken mehr von der WestLB hätte. Sie hat den LVR viel gekostet, in diesem und in den letzten Jahren knapp 400 Millionen Euro ? und sie wird uns leider voraussichtlich noch einmal zig Millionen Euro kosten. Das hat der LVR auch der Landesregierung zu verdanken. Herr Rüttgers hat uns die Anteile nicht abgenommen. Die Mittel, die hier verbrannt sind, sind Mittel, die der LVR wirklich dringend für die Erfüllung seiner eigentlichen Aufgaben benötigt.

Neben der Armut der Kommunen wächst die Armut der Menschen ? und das ist dramatischer. Sie werden alle die Ergebnisse der DIW-Studie mitbekommen haben. Die Schere zwischen arm und reich in Deutschland geht immer weiter auseinander, die Mittelschicht schrumpft, der Reichtum nimmt auf der einen Seite zu ? aber vor allem gibt es immer mehr arme Menschen. Armut führt zu mehr Erkrankungen, immer mehr Arme leiden an psychischen Behinderungen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen steigen die Fallzahlen tragisch.

Der Landschaftsverband kann diese Entwicklung allein nicht aufhalten. Aber: Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die öffentliche Armut nicht die persönliche Armut der Menschen verschärft, die den Landschaftsverband brauchen.

Armut trifft Menschen mit Behinderungen besonders, sie trifft sie härter. Es wird sowieso immer schwieriger, gute Arbeit für sie zu finden. Die Krise führt zu Einnahmerückgängen bei der Schwerbehinderten-Umlage und damit zu fehlenden Mitteln bei den Werkstätten und den Integrationsbetrieben. Und schließlich kündigt uns jetzt noch die Bundesregierung an, dass womöglich Eingliederungszuschüsse für Menschen mit Behinderungen im Hartz-IV-Bezug keine Pflichtleistungen mehr sein sollen. Das ins Ermessen der Arbeitsberater zu stellen, nach dem Motto: Wahrscheinlich lohnt sich die Eingliederung arbeitsmarktpolitisch nicht, ist unmenschlich. Ca. 120.000 Arbeitslose mit Behinderungen wären davon betroffen. Das ist mehr als die Einwohnerzahl Remscheids.

Die Anerkennung der Vielfalt und der unterschiedlichen Möglichkeiten unterschiedlicher Menschen ist eine Errungenschaft der Zivilisation. Eine Gesellschaft, die Kürzungen bei denen zulässt, die sich nicht wehren können, ist nicht zivilisiert sondern kehrt zu barbarischen Sitten zurück. Deshalb brauchen alle Menschen die Möglichkeit, sich auch an kulturellen Aktivitäten zu beteiligen und diese Chance sollen sie auch in den Museen des LVR erhalten. Das ist von Niedrigsteinkommen nicht bezahlbar. Deshalb stellen wir den Antrag, die Eintrittsgelder für die LVR-Museen sozial zu gestalten.

Die Mittel des LVR sind schon lange nicht üppig. Seit Jahren wird deshalb das Personalbudget gedeckelt. Die Dezernate erwirtschaften die Tariferhöhung selbst, heißt das. In Wirklichkeit findet jedoch keine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern schlicht Nichtbesetzung von Stellen und die Befristung von Arbeitsverträgen statt. Das ist weder innovativ noch kreativ, sondern das ist schlicht die altbekannte jahrhundertealte Wirtschaftsweise des Kapitalismus. Ähnliches gilt für die Vergabe von Aufträgen, die aufgrund von Auslagerungen sehr stark zugenommen hat. Das geht bis zur Beschäftigung von 1-Euro-Jobbern in Einrichtungen des LVR.

Deshalb haben wir zu diesem Bereich drei Anträge gestellt. Nahezu alle hier vertretenen Parteien waren dafür, 1-Euro-Jobs als Möglichkeit zur Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt einzuführen. Inzwischen stellt sich heraus, das Gegenteil ist der Fall. Diese Arbeitsgelegenheiten verhindern reguläre Beschäftigung, werden von den Betroffenen oft als Zwangsmaßnahme begriffen, die Rückkehrerquote in den normalen Arbeitsmarkt ist gering. Die Landschaftsverbände vergeben Aufträge an Unternehmen, die Niedriglöhne, zum Teil sogar sittenwidrige Minilöhne zahlen, in diesen Unternehmen werden Gesetze wie das Betriebsverfassungsgesetz mit Füßen getreten.

Und schließlich: Niedriglöhne, die dazu führen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nur noch als Nebenjob ausüben können und auf andere Einnahmen angewiesen sind, belasten die Kommunen. Wer Zusatzleistungen nach SGB II beziehen muss, damit sie oder er überleben kann, belastet auch die kommunalen Kassen.

Wer mit der Losung ?Qualität für Menschen? wirbt, muss nach Auffassung der Linken menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und sittenwidrige Arbeitsentgelte bekämpfen und verhindern. Der Deutsche Städtetag hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Vergabekriterien erarbeitet. Diese sind aus unserer Sicht Mindestbedingungen. Wir erwarten aber, dass der LVR diese Mindestbedingungen für die Vergabe von Aufgaben zur Voraussetzung macht.

In der letzten Sitzung des Landschaftsausschusses habe ich gelernt, dass der Vertrag mit TNT zwar nicht gekündigt werden soll ? so war die Mehrheitsentscheidung. Tatsächlich aber wird er längst umgangen. In dieser Sitzung berichtete ein Mitglied, dass die Fraktionssendungen inzwischen wieder mit der Post befördert werden, weil die Zustellung durch TNT unzuverlässig ist. Ich muss sagen, das macht mich fassungslos. Die Klientinnen und Klienten des LVR erhalten doch amtliche Bescheide, Mitteilungen, die Fristen enthalten, Schreiben, auf die sie reagieren müssen. Da kann TNT dann ruhig schludrig zustellen ? die Politik ist ja versorgt. Das geht doch nicht. Deshalb bitte ich Sie hier noch einmal ausdrücklich um Zustimmung zu diesem Antrag.

Die Verwaltung kündigt in der Vorstellung des Haushalts schwierige Zeiten an. Aufwand und Ausgaben sollen durch ? ich zitiere ? ?Standardabbau, Aufgabenkritik und Prozessoptimierung? reduziert werden. Sehr geehrte Damen und Herren von der Verwaltung, sehr geehrter Herr Voigtsberger ? nachdenken können Sie ja gerne über die Reduzierung von Aufwand und Senkung der Ausgaben. Wir werden uns kostengünstigeren Verfahren und Optimierung von Prozessen nicht in den Weg stellen. Das ist mit dem Prinzip ?Ambulant vor stationär? ja auch gelungen. Dennoch müssen hier unbedingt Standards gesichert sein, damit tatsächlich selbstständiges Leben möglich ist und nicht einsames Dahinvegetieren in den eigenen vier Wänden die Folge ist. Die notwendige Unterstützung für die Kundinnen und Kunden des Landschaftsverbandes muss sichergestellt sein, nicht nur in der eigenen Wohnung, sondern auch durch ausreichende Tages- und Freizeitangebote. Das gilt auch für die Unterbringung in Kliniken und Heimen: Einzelzimmer, Tages- und Freizeitangebote müssen ein gutes Leben ermöglichen. Auch Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Ambulant vor stationär zeigt doch: Reglementierung und Repression sind teuer, Unterstützung für selbstbestimmtes, selbstständiges Leben entspricht den Anforderungen an ein menschenwürdiges Leben und ist überdies kostengünstiger.

Ähnliches wird im Bereich der Förderschulen notwendig sein. Da sind die allerersten Schritte getan. Dennoch ist hier mehr notwendig. Uns ist klar, dass eine simple Auflösung der Förderschulen überhaupt nicht hilfreich, sondern im Gegenteil, schädlich ist. Bei den bestehenden Bedingungen wie Klassengrößen, Raumausstattung, Betreuungsschlüsseln würden viele Kinder mit Behinderungen an die Wand gedrückt. Wir möchten eine Öffnung der Förderschulen für alle Kinder und eine Ausdehnung der Unterstützung für Kinder mit Behinderungen, die an normalen Schulen unterrichtet werden sollen.

Meine Damen und Herren, mit der UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen kommen wichtige ? und ich möchte sagen ? leider ? neue Aufgaben auf die ganze Gesellschaft zu. Ich würde begrüßen, wenn wir der Umsetzung der Konvention keine Aufmerksamkeit schenken müssten, weil alles in Ordnung ist. Jedoch: das ist nicht so.

 

Ambulant vor stationär, persönliche Unterstützung im Schulbereich ? all das sind Schritte auf dem Weg zur Umsetzung der Konvention. Mit der Forderung nach Inklusion haben wir ein Aufgabenfeld, das breit gefächert in allen Bereichen angepackt werden muss. Das fordert die gesamte Gesellschaft. Die gemeinsame Position von Bundes- und Landesregierung ist: Es besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Zum Glück sieht das die politische Mehrheit hier nicht so. Wir brauchen die Kommission Inklusion als übergreifende Kommission. Und wir brauchen über die bisherigen Veranstaltungen hinaus mehr Veranstaltungen in der Zivilgesellschaft ? nicht als eigene Veranstaltungen des LVR, sondern gemeinsam mit anderen Gruppen der Zivilgesellschaft. Der Landschaftsverband muss und kann einen Beitrag leisten, damit Vielfalt und nicht Wegsperren gesellschaftliche Norm wird. Da sind wir dabei und machen gerne mit.

Meine Damen und Herren, wir haben vier Anträge gestellt ? das Verhalten aller anderen Fraktionen macht deutlich, dass sie keinen dieser Anträge unterstützen wollen. Sie haben uns auf notwendige Beratungen in den Fachausschüssen verwiesen. Wir nehmen diese Anregung gerne für die Zukunft auf. Wir werden uns auch deshalb bei diesem Haushalt enthalten. Wir halten die Erhöhung der Landschaftsumlage für notwendig, weil Kürzungen bei Menschen mit Behinderungen Ausgrenzung bewirken. Inklusion und Vielfalt ist das, was notwendig ist. Menschenwürde und gegenseitige Achtung sind für uns unverzichtbar und stellen unseren Anspruch an die Vielfalt der Gesellschaft dar.