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Essen

"Die Musik spielt woanders! Einnahmen stärken statt Bürger belasten"

Hans-Peter Leymann-Kurtz (Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. Essen)

Haushaltsrede 2011 von Hans-Peter Leymann-Kurtz (Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. Essen)

Herr Oberbürgermeister, verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der heute hier zur Abstimmung stehende Haushaltsentwurf 2012, das so genannte Haus- haltssicherungskonzept und diverse Anträge aus den Reihen der Viererkoalition von CDU/Grünen/FDP/EBB sind ein Alter Stiefel, sind altes Denken, sind ein ?Weiter so?, kurzum die Verlängerung des unausgewogenen und unsozialen Doppelhaushalts 2010/2011.
Das nennt man ?Lernblockade? bei der Mehrheit hier im Rat.
Ungeniert finden sie große Worte und reden weiter vom ?Sparen?, vom ?Konsolidieren? und meinen damit doch in Wahrheit nichts anderes, als den Essenerinnen und Essenern fortwäh- rend soziale und andere Leistungen zu rauben.
Sie tragen vor sich eine Monstranz namens ?Haushaltsausgleich 2015?, wo sie ehrlicherweise zugeben müssten, dass ihnen weiter nichts einfällt, als das Gros der Bürger unserer Stadt teils drastisch zur Kasse zu bitten. (ohne Versuch eines Ausgleich, z. B. durch Absenkung der Grundsteuer B)
Sie fahren Leistungen für die EssenerInnen herunter, erhöhen Gebühren, städtischen Mitar- beiterinnen wird durch teils absurde Arbeitsverdichtung als Folge von massiven Personalkür- zungen das Arbeiten schwer gemacht (Krankenstand?!) und das so genannte Eigenkapital (also das Eigentum ALLER BürgerInnen) vernichten sie sogar selbst, indem sie beispielsweise nach wie vor völlig unzureichende Mittel bei der Bauunterhaltung bereitstellen.
Und wie es sich für eine konservative Klientel-Politik zugunsten von wirtschaftlich und mate- riell Stärkeren gehört, verzichtet das bürgerliche Vierer-Bündnis mit völlig abwegigen Be- gründungen darauf, höhere Einnahmen DORT zu realisieren, wo sie möglich, wo sie sinnvoll und wo sie ausgewogen - also gerecht wären (besonders Lex Hotelerie 2.0 - Verhinderung der Übernachtungsabgabe - und Unbeweglichkeit beim Gewerbesteuerhebesatz).
Zwanzig Jahre neoliberal inspirierte Gehirnwäsche haben offenbar auch hier im Rat tiefe Spuren hinterlassen.
Die Kurven des Kämmerers, im besonderen die so genannte Klieve-Kurve zum Erhalt des Ei- genkapitals ? von Ihnen im vergangenen Jahr mit Hilfe von Teilen der Presse noch als Para- digmenwechsel (fast als Jahrhundertwerk) abgefeiert ? ist in Wahrheit längst keine Kurve mehr, sondern ein x-beliebiges Zahlenspiel.
Abhängig von nicht, oder kaum durch Kommunalpolitik beeinflussbaren Faktoren, wie bei- spielsweise der Zinsentwicklung oder der Wertentwicklung der RWE-Aktien könnte diese Kurve mal so oder mal so aussehen. Das sind also nette, bunte Grafiken, geeignet zur Bene- belung der Aufsichtsbehörde und offenbar auch hiesiger Entscheidungsträger, keinesfalls aber wirklich belastbare Voraussagen! Und auf Grundlage dieser Projektion meint die Mehr- heit hier also die Überschuldung abwenden zu können und presst mit der Fortsetzung der 2 Prozent-Linie anhaltend an einem längst ziemlich ausgequetschten Verwaltungshaushalt herum.
Nein, ohne wirklich wirksame Entschuldungshilfe oder einen Schuldenschnitt von außen wird jede Kurve früher oder später IMMER unterhalb der Wasseroberfläche, sprich beim Eigenka- pitalverzehr, also bei der ?rechnerischen Insolvenz? landen müssen.
Ihr Glaube muss recht-s- fest sein, wenn sie meinen, durch weitere und fortgesetzte Kür- zungslinien wirklich relevante und nachhaltige Haushaltsverbesserungen herbeizuführen.
Selbst des Kämmerers eigene Zahlen sprechen doch gegen diesen Irrglauben.
Es sollte doch längst Allgemeingut sein, dass IHRE Kürzungen bzw. die von ihnen so genann- ten ?Einsparungen? bei der Infrastruktur, Personal, Bürgerdienstleistungen schon allein durch geringste Zuckungen bei der Zinshöhe für den Schuldendienst aufgefressen werden und im Haushalt vermeintliche Einsparungen neutralisieren.
Bei unserer Verschuldung von 3 Milliarden (2 Milliarden allein Liquiditätskredite) bzw. über 4,5 Milliarden im Kombinat Stadt Essen und entsprechendem Zinsaufwand, spielt die Musik also in Wahrheit ganz woanders.
Sie spielt jedenfalls nicht mehr bei ihren zumeist sinnlosen, kontraproduktiven und oft sogar Eigenkapital vernichtenden (Bauunterhaltung, Instandhaltung etc.) Kürzungsmaßnahmen.
Nichts gegen Aufgabenkritik und eine seriöse Debatte darüber, an welcher Stelle welches Personal welche Aufgabe zu erledigen hat, und ob nicht bessere Alternativen möglich sind.
Aber bitte schön in dieser Reihenfolge: Aufgabenkritik, Ergebnisse, und dann der politische Beschluss.
Leitschnur dabei muss aus Linker Perspektive allerdings immer die Qualität von Dienstleis- tungen für die Bürger, der Erhalt von Infrastruktur der Daseinsvorsorge, der Erhalt von Er- werbsarbeit und die soziale Balance sein.
Sie von der Vierertruppe hingegen, haben mit ihrem noch immer gültigen so genannten 1000-Stellen-Beschluss herum getrampelt wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen, keines dieser Kriterien berücksichtigt, und sich dann noch gewundert, warum an fast allen Stellen der Verwaltung und teils auch in den Betrieben eklatante Personalnot besteht (be- sonders peinliches Beispiel: Haus der Geschichte).
Und zu allem Überfluss überschütten Sie im Verlauf der Ratsjahres die dezimierte Verwal- tung mit teils aberwitzigen Anforderungen durch oft absurde Prüfaufträge.
AUSGLEICH 2015 ?
Herr Oberbürgermeister, liebe KollegInnen,
Natürlich sollte ein Kämmerer immer mehr wissen, als die politischen Gremien, denen er seine Zahlen und Projektionen vorlegt. Natürlich weiß auch der verehrte Kämmerer Klieve, dass der von einer Mehrheit hier im Rat im Sommer glorreich beschlossenen Haushaltsaus-
gleich 2015 eher eine Durchhalteparole, ein selbst-gemalter Silberstreif am Horizont für die Moral der Truppe ist, aber kaum eine wahrscheinliche, nicht einmal eine besonders wichtige Option. Noch im Sommer wurde das originäre Defizit für 2015 nämlich vom Kämmerer bei sehr positiven 80 Mio. gesehen, zuletzt letzte Woche bei ca. unglaublich positiven 25 Mio., wenn, ja wenn die Zinsentwicklung nicht durch die Decke schießt.
Ja was denn nun? Ausgleich? 2015? 2016? 2017? Wirklich relevant ist diese Frage doch nur psychologisch. Aber dieser Rat ist ja kein Irrenhaus!
Immerhin, und das war ja durchaus zu erwarten, hat sich die Einnahmeseite erfreulich deut- lich verbessert. Bei den Gemeindeanteilen der Einkommens- und Umsatzsteuer, aber vor allem bei den Schlüsselzuweisungen, u. a. resultierend aus landesseitig vorgenommenen, (zumindest für die Stadt Essen) positiv wirkenden Veränderungen im Bereich der Verbund- masse.
Und auch die Gewerbesteuereinnahmen sind unter notwendiger Berücksichtigung von nega- tiven Sondereffekten (Energiewirtschaft) in Wahrheit positiv und im stabilen Trend der letz- ten Jahre, was angesichts der vergleichbar sehr positiven wirtschaftlichen Lage in Essen e- benfalls erwartbar war.
Einnahmeseite stärken ? Im Bund, im Land und in Essen!
Diese positive Entwicklung belegt darum geradezu idealtypisch die Position meiner Fraktion und meiner Partei, nämlich, dass heutzutage, vor dem Hintergrund weitgehend ausgepress- ter öffentlicher Haushalte, wesentlich entscheidender für einen Haushaltsausgleich die Ein- nahmeseite sowie die Entwicklung der Kosten für den Schuldendienst (Zinsentwicklung) ist, als nicht-reparables Kürzen und Streichen von Dienstleistungen und ein hemmungsloses herumfuchteln am Personalbestand.
Und es bleibt der Bundesgesetzgeber gefordert! 1. reale Konnexität herzustellen,
2. die Einnahmeseite der Kommunen so zu vitalisieren und zu stabilisieren, dass ein Ge- meinwesen seinen Aufgaben für die BürgerInnen gerecht werden kann und demokratisch bleibt. (z. B. durch die Entwicklung der Gewerbesteuer hin zu einer Gemeindewirtschafts- steuer)
Es ist ja immerhin schon ein bemerkenswerter Fortschritt, dass mittlerweile selbst Kollege Kufen (zuletzt im Haupt-und Finanzausschuss) - zwar noch ganz vorsichtig - eine gewisse ?Vergeblichkeitsfalle? einräumt, indem auch er endlich anerkennt, dass eines der zentralen Probleme die Zinsbelastung für 3 bzw. ca. 4,5 Milliarden Euro und drohende Zinssteigerun- gen beim Schuldendienst sind.
Heißt doch im Klartext das, worauf DIE LINKE schon seit Jahren hinweist, nämlich: Ohne wirksame Entschuldungshilfen des Landes, aber vor allem des Bundes, wird es vielen Kom- munen, also auch der Stadt Essen, nicht gelingen, sich nachhaltig zu entschulden, weil man sich am eigenen Schopf nicht aus dem Sumpf ziehen kann.
Selbst, wenn die jahrelange Kürzungsoperation irgendwie gelingt, ist der Patient ?demokra- tisch-soziales Gemeinwesen Stadt? mausetot.
Entschuldungshilfen!
Und dabei muss dann mehr herauskommen, als das, was das Land jetzt niedlich-beflissen, aber völlig unzureichend und teils sogar kontraproduktiv, mit dem so genannten ?Stärkungs- paktgesetz? initiiert.
Wenn ein Schuldenschnitt zugunsten von Banken (z.B. Bankenrettungspaket) und sogar gan- zen Volkswirtschaften sinnvoll, systemwichtig und machbar ist, dann muss er auch für real überschuldete Kommunen und ihre BürgerInnen in Betracht kommen können. Es muss poli- tisch nur gewollt und durchgesetzt werden. Von Berlin ist bekanntlich nichts dergleichen zu erwarten.
Trotz der erwarteten haushaltspolitischen Borniertheit von CDU/ Grünen/FDP/EBB, hat sich meine Fraktion in den letzten Wochen wie immer intensiv mit dem Haushaltsentwurf be- schäftigt, und stellt hier exemplarisch Anträge, die folgenden Kriterien entsprechen,
und ? und jetzt halten sie sich fest - im Saldo sogar Haushaltsverbesserungen beinhalten.
(Bei Zustimmung zu unseren notwendigen Korrekturen wird meine Fraktion diesem HH- Entwurf sogar mittragen!)
Diese Kriterien lauten:
?    Einnahmeseite vernünftig, behutsam und gerecht stärken - statt Schwächere weiter zu belasten
?    Unsoziale Maßnahmen verhindern ?    Kinderbetreuung ausbauen und verbessern ?    Öffentliche Daseinsvorsorge und Bürgerdienste verteidigen ?    Personal stärken ? statt verunsichern ?    Infrastruktur sichern und Bürgereigentum (Eigenkapital) vor schwarz-grün-gelben
Ratsmehrheiten retten.
(Einige Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte KollegInnen,
Antragsbegründungen im Anschluss durch die Genossin Jetter)
DIE LINKE in Essen fordert keine Wohltaten, sondern Vernunft und Gerechtigkeit. Wir for- dern Haushaltsehrlichkeit gegenüber den BürgerInnen, sozial gerechte Belastungs- und Ent- lastungswirkungen, faire Bedingungen für die städtischen MitarbeiterInnen, und die Vertei- digung der öffentlichen Daseinsvorsorge im Gemeinwesen Stadt.
Dieser Haushaltsentwurf 2012, sowie das so genannte Haushaltssicherungskonzept, entspre- chen in keiner Weise diesen Kriterien.