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Bochum

"Ein Sozialticket, das seinen Namen verdient!"

Redemanuskript von Bianca Schmolze, stellv. Fraktionsvorsitzende DIE LINKE. Bochum, zur Ratssitzung am 29.09.2011

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

sehr geehrte Damen und Herren,

?Ein Ticket für 29,90 Euro verdient nicht den Namen Sozialticket", heißt es in der Presseerklärung des DGB Ruhr-Mark. Genau das bringt es auf den Punkt - was uns hier zur Beschlussfassung vorliegt, ist zwar ein neues VRR-Ticket, es ist aber nicht weitgehend genug. Es ist zumindest für die Menschen, die auf ein wirkliches Sozialticket angewiesen sind, eine Mogelpackung - ich denke hier an die Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV, deren Posten im Regelsatz für Mobilität nur 22,78 Euro vorsieht. Dieser Betrag soll nicht nur die Kosten für den Nahverkehr abdecken, sondern auch Fahrten über den Nahverkehr hinaus, wie z.B. der Besuch der Oma in Köln oder ein Vorstellungsgespräch in Münster, Reparaturen fürs Fahrrad, usw. Das alles für nur 22,78 ? im Monat.

Immerhin bringt die Einführung eines solchen VRR-Tickets Vergünstigungen für Wohngeldbeziehenden und Flüchtlinge. Allein der Personenkreis der Wohngeldbeziehenden umfasst in Bochum fast 6.000 Haushalte, wovon sicherlich viele dieses Ticket wahrnehmen werden.

Es steht zu erwarten, dass Menschen mit niedrigem Einkommen, die besonders stark auf den öffentlichen Nahverkehr - wegen ihres Jobs oder weil sie in einer Maßnahme stecken - angewiesen sind, und sich deshalb für den Kauf einer Monatskarte zum Normalpreis entscheiden mussten, auf das neu angebotene Ticket umsteigen werden. Das wird natürlich in der Gegenrechnung den Gesamtumsatz verringern.

Das wird unweigerlich zu Wanderbewegungen aus den teureren Tickets führen, ohne dass wirkliche Mehreinnahmen durch Neukunden hinzukommen, weil der Preis zu hoch ist. Damit ist eigentlich schon jetzt abzusehen, dass die Einführung dieses VRR-Tickets unter schlechten Bedingungen startet und ein Misserfolg wahrscheinlich ist - und ich hoffe, nicht auch gewollt ist, um endlich aus dieser leidigen Diskussion um ein wirkliches und bezahlbares Sozialticket herauszukommen. Bei manchen Äußerungen schleicht sich der Verdacht des gewollten Scheiterns schon ein. Das lässt sich meiner Ansicht nach auch an einer Äußerung von Klaus Vorgang aus dem VRR-Vorstand festmachen. Zitat: "Bei der Diskussion um die Einführung eines Tickets für Geringverdiener standen insbesondere die zu erwartenden Mindereinnahmen im Focus." Und weiter: " Deshalb erfolgt die Einführung vorerst im Rahmen eines Pilotprojekts, welches unter Beteiligung eines Wirtschaftsprüfers nach einem Jahr überprüft werden soll." Ende des Zitats.

Nach Aussage von Herrn Vorgang standen also zu erwartende Mindereinnahmen im Focus. Wir erwarten, dass bei der Evaluation dieses Modellprojektes nicht wie in Dortmund so gerechnet wird, dass alle Kundinnen und Kunden, die dort das Sozialticket bezogen haben, automatisch als Kostenfaktor gerechnet werden. Zu einer realistischen Betrachtung gehört auch herauszufinden, wer zu den Neukundinnenen und Neukunden gehört, auch wenn es jetzt wenige sein werden, wie wir befürchten. Das geht nur, wenn wie in Köln eine Marktumfrage gemacht wird.

Klar ist aber auch ? damit das Ticket kein Misserfolg wird, müssen viele Neukundinnen und Neukunden her. Das zeigt das Beispiel Dortmund. Nach Einführung des Tickets lag die Zahl der Abos bei 24.000. Nachdem dort der Preis verdoppelt wurde, fiel die Zahl der Abos auf unter 8.000. Klar ist aber auch ? ein Sozialticket wird sich nie ganz rechnen. Genau so wenig wie sich das Bären- oder Semesterticket rechnet. Ich erzähle Ihnen hier doch keine Neuigkeiten, wenn ich feststelle, dass diese Tickets subventioniert sind. Jeder Fahrschein der im öffentlichen Nahverkehr verkauft wird, ist subventioniert. Die Entscheidung für ein wirkliches Sozialticket zum Preis von 15 Euro ist keine betriebswirtschaftliche, sondern eine politische. Und der politische Wille für ein Sozialticket, das den Namen auch verdient, war und ist anscheinend nicht vorhanden.
Wir wissen, dass es nicht möglich ist, hier und heute ein Sozialticket ab dem 01.11. zu beschließen, das diesen Namen auch verdient. Dazu sind die Abstimmungsprozesse zwischen den beteiligten Kommunen und dem VRR zu kompliziert und langwierig. Wir können aber beschließen, dass es nach der ersten Probephase eine zweite geben soll. Denn für uns ist die heutige Einführung des neuen VRR-Tickets zum 1. November 2011 für 29,90 ? nur ein erster Schritt. Es ist ja nicht nur zu teuer ist, sondern darüber hinaus auch nur begrenzt auf die Preisstufe A, so dass nicht einmal die Fahrt in eine Nachbar¬gemeinde möglich ist.

Wir haben heute hier einen Änderungsantrag vorgelegt, mit dem Vorschlag ab dem 01.01.2013 eine zweite Probephase einzuführen, mit einem Sozialticketpreis für 15 ? und vor allem verbundweiter Gültigkeit. Das ist gerade im Ruhrgebiet, das ja eigentlich eine große Ruhrstadt ist, von großer Wichtigkeit. Außerdem brauchen wir ein vergünstigtes Vierertickets wie in Köln, damit sich auch die Wenigfahrerinnen und -fahrer unter den Hartz-IV-Betroffenen Mobilität leisten können. Wir gehen davon aus, dass mit einem realistischen Sozialticketpreis, die Zahl der Neukundinnen und Neukunden so steigt, dass der Zuschussbedarf des Landes im Rahmen der bewilligten 30 Mio. ? bleiben kann.

Wir fordern weiter - und nicht nur wir - es waren Menschen vor dem Rathaus und hier auf der Zuschauertribüne - wir fordern und wollen ein bezahlbares Sozialticket, das diesen Namen verdient.

Wir fordern ein Ticket zum Preis von 15 Euro. Mobilität ist in der heutigen Gesellschaft eine der wichtigsten Voraussetzungen für die erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsmarkt, aber auch für die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gesellschaft - und das muss ermöglicht werden unabhängig vom Einkommen.

Und so sollten Sie unseren Antrag verstehen. Sie haben uns in dieser Frage weiterhin an der Backe - und nicht nur uns.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!