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DIE LINKE. Fraktion im Rat der Stadt Hamm

Gewährung einer freiwilligen Weihnachtsbeihilfe Ratssitzung, Moratorium für Jobcenter-Sanktionen, Marion Josten

 

Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

um ihre Aufmerksamkeit nicht übermäßig zu strapazieren, werde ich beide Anträge begründen.

404 Euro wird der Hartz-IV-Regelsatz für allein lebende Personen ab dem 1.1.2016 betragen. Der Sozialwissenschaftler Lutz Hausstein hat berechnet, dass allein die unabweisbaren existenziellen Kosten eines Single-Haushaltes schon 2015 bei 445,85 Euro liegen. Das sozio-kulturelle Existenzminimum liegt nach seinen Berechnungen bei 733,62 Euro, also 334,62 über dem heutigen Regelsatz von 399 Euro. Hartz IV stellt somit nicht einmal das Existenzminimum und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sicher. Nun können im Hinblick auf das im Antrag genannte Urteil Sanktionierte in Widerspruchsverfahren - mit Verweis auf das Urteil von Gotha - gehen und mindestens eine Aussetzung der Sanktion einfordern, bis das Bundesverfassungsgericht ein entsprechendes Urteil gefällt hat. Am 10. August 2015 hat sich das Sozialgericht Dresden dieser Auffassung angeschlossen, wie aus dem jetzt veröffentlichtem Urteil hervorgeht.

Wir gehen allerdings davon aus, dass die Betroffenen nicht immer über diese konkrete Möglichkeit vollumfänglich informiert sind und immer den nötigen Rechtsbeistand haben um ihr Recht auch praktisch einzufordern.

Wir halten es für angezeigt, sowohl unter humanitären als auch praktischen Gesichtspunkten nicht auf jeden Widerspruchsfall zu warten, sondern von den vorhandenen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die Umsetzung der Sozialgesetzgebung nach kommunalem Ermessen zu praktizieren und Sanktionen auszusetzen.

Alles andere wäre ein massenhafter Verstoß gegen die Verfassung. Es ist unverantwortlich mit der beklagten Praxis fortzufahren. Ein Verweis auf die noch laufende Praxis der Bundesagentur für Arbeit hieße die Verantwortung für kommunales Handeln von sich zu schieben.

Es hat massenhaft Widersprüche und Klagen gegen Sanktionen bei Hartz IV gegeben. Über 37 Prozent der Widersprüche gegen Sanktionen waren im Jahr 2014 erfolgreich, und sogar über 41 Prozent der Klagen. Sanktionen verletzen das Grundrecht auf ein Existenzminimum. Und da stimmen wir mit den Spitzenverbänden der Wohlfahrtspflege überein. So hält es die Diakonie für, Zitat: "skandalös, wenn auch noch massenhaft fehlerhaft und rechtswidrig das Existenzminimum gekürzt wird. Sanktionen treiben viele Menschen in existentielle Armut bis hin zur Wohnungslosigkeit".

Hartz IV und die damit verbundenen Sanktionen sind nichts weiter als ein gigantischer nationaler Feldversuch, der als Blaupause für ganz Europa dienen soll und im Protektorat Griechenland durch die Bundesregierung und die Troika bereits umgesetzt wurde. Um es mit den Worten des ehemaligen griechischen Finanzministers Varoufakis zu sagen: " Sie – die Bundesregierung – wälzt die gesamte finanzielle Last auf die Habenichtse ab, und das löst eine humanitäre Krise aus". Das gilt international, aber auch in den Kommunen.

Eine letzte Anmerkung: Die Zahlung einer freiwilligen Weihnachtsbeihilfe löst die humanitäre und finanzielle Krise für die Betroffenen selbstverständlich nicht. Aber für einen kleinen Augenblick können wir Abhilfe schaffen und unterstützen damit auch die lokalen Klein- und mittelständischen Unternehmen. Und somit geht es hier nicht nur um freiwillige Leistungen der Kommune, sondern auch um die Stärkung der Kaufkraft.