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DIe LINKE. Fraktion im Kreistag Wesel

Rede zum Haushalt

Sascha Wagner, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. Fraktion im Kreistag Wesel

Sehr geehrter Herr Dr. Müller, sehr geehrte Damen und Herren,

hier und heute als Vertreter der Wählerinnen und Wähler zu stehen, die uns im Frühjahr das Vertrauen ausgesprochen haben, erfüllt mich mit Stolz und Freude. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um zuerst der Verwaltung für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu danken. Als neue Fraktion hat man uns vorbildlich unterstützt. Angesichts der knappen Personaldecke keine Selbstverständlichkeit.
Erfreut haben wir zur Kenntnis genommen, dass Sie Herr Dr. Müller, als unser Landrat, das Aktionsbündnis „Raus aus den Schulden / Für die Würde unserer Städte" unterstützt haben. Es ist wahr: Umverteilung zwischen den Kommunen reicht nicht. Zu lange wurden Einnahmen und Kosten zu Lasten der Kommunen insgesamt umverteilt.

Wenn das strukturelle Defizit der Kommunen nicht beseitigt wird, dann stehen weite Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge in Frage. Beratungsstellen, Kultur, Jugendarbeit, Schulsozialarbeit und vieles mehr. Alles sinnvolle Investitionen für die Zukunft und die Lebensqualität unseres Kreises. Aber nicht pflichtig und daher aus Sicht des Gesetzgebers im Einzelnen entbehrlich.

Doch steht damit das von der Verfassung geschützte Recht auf kommunale Selbstverwaltung insgesamt in Frage. Denn wenn absehbar nur noch pflichtige Leistungen finanziert werden dürfen, dann kann von Selbstverwaltung keine Rede mehr sein. Dann ist die Kommune nur noch ausführendes Organ und den Kreistag können wir uns sparen. Wir Kreistagsmitglieder sind gewählt, um die kommunale Selbstverwaltung zu steuern, nicht um „Sachzwänge“ abzunicken. Da kann unser oberstes Ziel nur sein, die Fesseln dieser Sachzwänge aufzubrechen.

Die Partei DIE LINKE schlägt dafür eine umfassende Gemeindefinanzreform vor. Zentraler Bestandteil ist die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer. Die würde dann, nach Abzug eines großzügigen Freibetrages, ohne Ausnahmen und Schlupflöcher, von allen wirtschaftlich Tätigen gezahlt. Diese Gemeindefinanzreform ist eingebettet in ein Gesamt-Steuerkonzept. Das einzige von Experten durchgerechnete Steuerkonzept aller Parteien.

DIE LINKE ist der Auffassung, dass die Unternehmen und die Wohlhabenden, die mehr als alle anderen von der Infrastruktur und dem Bildungsstand unseres Landes profitieren, auch zur Finanzierung von dessen Infrastruktur in die Pflicht genommen werden sollten. Und gerade diese Gruppen sind durch die Steuerreformen der letzten Jahrzehnte massiv entlastet worden.

Natürlich kann eine solche Reform nicht im Kreis Wesel beschlossen werden. Aber wir können hier unsere Stimme erheben und immer wieder auf diese Missstände hinweisen. Dazu haben Sie, Herr Dr. Müller einen ersten Schritt getan. Viele weitere müssen folgen, bis wir in Düsseldorf und Berlin genug Druck aufgebaut haben, um eine wirkliche Lösung des Problems anzuschieben.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist die erste Haushaltsrede unserer Fraktion. Da hoffe ich, dass sie mir verzeihen, wenn ich mit dieser Vorrede zuerst die grundsätzliche Position unserer Partei deutlich machen wollte. Kommen wir nun zum Doppelhaushalt des Kreises Wesel.

Es wird niemanden überraschen, dass wir mit dem Haushalt nicht so richtig warm werden. Zwar enthält er wenig augenfällige Grausamkeiten. Aber er schreibt die Schieflagen der Vergangenheit fort. Kultur und Soziales bleiben unterbelichtet. Alle Kürzungen der Vergangenheit haben Bestand. So fehlt etwa eine Finanzierungsgarantie für die Schulsozialarbeit. Der Haushalt ist, um es auf den Punkt zu bringen, ein Kniefall vor den Sachzwängen- ohne Mut und Visionen. Er gehorcht den wohlfeilen Rufen aus dem neoliberalen Lager nach restriktiver Haushaltspolitik.

Da wird dann immer vom Sparen geredet. Würde das zutreffen, hätten wir inzwischen bedeutende Summen auf der hohen Kante. Aber wir legen kein Geld zurück für schlechte Zeiten. Stattdessen kürzen wir bei dem, was uns letztendlich auch Einnahmen bringt.

Wir Linken aber sagen: Nicht die Leistungen des Kreises müssen sich an die Forderungen der Haushaltsdisziplin anpassen. Der Haushalt muss den Bedürfnissen unseres Kreises gerecht werden. Unsere Ausgaben sind Investitionen in die Zukunft. Dahinter stehen Menschen, Schicksale, aber auch Chancen auf künftiges Wachstum und höhere Einnahmen. Oder, etwa im Bereich der Prävention, auf niedrigere Kosten in der Zukunft. Wenn wir da knausern, können die Folgekosten in den Himmel schießen. Die Kosten der Heimunterbringung sind nur eines von vielen Beispielen.

Sprechen wir eine einfache Wahrheit aus: Kürzen ist kein Haushaltskonzept. Eine Kommune ist keine schwäbische Hausfrau. Und sie ist auch kein Wirtschaftsunternehmen. Sie ist Teil der staatlichen Infrastruktur. Sie hat anderen Geboten zu folgen als denen der Gewinnmaximierung. Da darf die Schulbildung niemals vom Einkommen der Eltern abhängig sein und auch der sozial Schwache muss sich Wasser und Strom leisten können.

Sicher müssen wir zusehen, dass unsere Gelder zielgerichtet eingesetzt werden. Bei jeder einzelnen Maßnahme müssen wir uns fragen, ob das so vernünftig ist. Aber wenn die Antwort „Ja“ lautet, dann muss die Ausgabe auch getätigt werden.
Ungeheuerlich finde ich es, wenn hier davon gesprochen wird, man wolle den Haushalt „auskehren“. Denn „ausgekehrt“ werden hier vor allem die Leistungen für sozial Schwache. Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Alle anderen sind auf genau die Leistungen angewiesen, die im Zuge der Haushaltsbeschränkung als erste geopfert werden.

Beim schulpsychologischen Dienst wiederum zeigen die Zahlen mehr als deutlich, dass wir zu wenig tun. In der Stadt Wesel, wo der schulpsychologische Dienst ansässig ist, haben wir immerhin 182 Beratungen im Jahr. Im fast doppelt so großen Moers scheint die Mehrheit bei 33 Fällen kaum zu wissen, dass es das Beratungsangebot überhaupt gibt. Und die Wartezeiten liegen schon bei 6-8 Wochen. Das sind nur Beispiele. Der ganze Jugendbereich ist unterfinanziert. Und auch das ist nur ein Beispiel.

In vorauseilendem Gehorsam unsere freiwilligen Leistungen zusammenzustreichen, das ist nicht unser Weg, das machen wir nicht mit. Und vor allem nicht, wenn es gegen die Beschäftigten geht, wie vom Jamaika-Bündnis vorgeschlagen. Von dem Jamaika Bündnis wohlgemerkt, das unseren Vorschlag zur Kürzung bei den Fraktionsfinanzen abgelehnt hat. Am Personal zu knausern ergibt bei über 46.000 Überstunden ohnehin keine Einsparung. Im Gegenteil! Es bedeutet, dass sich sie Überstundenzahl weiter erhöht. Und damit auch die dafür zu bildende Rückstellung. Von der physischen und psychischen Belastung der Mitarbeiter ganz abgesehen.
Ich frage mich auch, um das einmal dazwischen zu schieben, wie Sie Herr Kück, das ihren Wählern erklären. Verstanden sich nicht auch die Grünen einmal als soziale Partei?

Ich will noch auf einige Details des vorliegenden Haushaltsplanes eingehen. Wir haben hier einen Haushalt, der bereits spitz auf Knopf genäht ist. Und aus Jamaika wurde verkündet, dass sei noch zu großzügig. Nur das Nötigste dürfe man ausgeben, das wünschenswerte sei eben derzeit nicht zu haben. Also eiligst auf dem Weg in eine Selbstbeschränkung auf Pflichtausgaben.
Und da fällt Ihnen nichts Besseres ein, als die Verschiebung von Straßen- und Gebäudeunterhaltung, die Winterschädenbeseitigung und die Kürzung verschiedener Rückstellungspositionen. Alle diese Ausgaben bedeuten aber Beschäftigung für die Unternehmen unseres Kreises. Wenn die ausreichend zu tun haben, sind nicht nur unsere Straßen repariert, dann sind Menschen in Arbeit und es fließt Gewerbe- und Einkommenssteuer in die klammen Kommunen.

Und dann gibt es da die schwarze Heide, die so gar nicht in das Kürzungskonzept passt. Da werden jahrelang Steuergelder in eine Beteiligung gesteckt, an deren Zukunftsperspektiven keiner mehr glaubt, deren Eigenkapitalquote in 2013 bei 0,88 % lag, eine Haaresbreite von der Überschuldung entfernt. Und die ohne Betriebskostenzuschuss schon lange insolvent wäre.

Und jetzt wird es interessant. Herr Briese von Deltaport hat uns gezeigt, wie kreative Buchführung wirklich geht. Da verlängern wir einfach mal die Nutzungsdauern und halbieren damit die Abschreibungen. Damit wird sein Ergebnis laut Plan für 2015 mal eben um 326 000 Euro verbessert. Und das schreibt sich ja in die Zukunft fort. Das könnten wir doch auch machen. Leiten wir eine Anpassung ein. Prüfen wir den Zustand unseres Anlagevermögens. Wenn er sich als besser erweist steht doch einer Verlängerung der Nutzungsdauer und der damit verbundenen Ergebnisverbesserung nichts im Wege.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, warum wir mit diesem Haushalt nicht warm werden können: Er ist geschönt. Er knausert an Stellen, an denen Ausgaben sinnvoll und notwendig wären. Und man hält fest an Projekten, bei denen wir nur von Verschwendung sprechen können. Im Ergebnis haben wir einen Haushalt, der weder sozial gerecht, noch wirtschaftlich vernünftig ist.

Wir Linken wurden nicht gewählt, um die öffentliche Daseinsvorsorge vor die Hunde gehen zu lassen. Wir wollen eine gute Infrastruktur für den Kreis Wesel.
Wir wurden nicht gewählt, um im Kreis Wesel Stellen abzubauen. Wir wollen eine gut aufgestellte Verwaltung.
Wir wurden nicht gewählt, um soziale Schieflagen fortzuschreiben. Wir wollen einen sozial gerechten Kreis Wesel.
Das sehen wir im vorliegenden Haushalt nicht verwirklicht. Und darum müssen wir den Haushalt ablehnen.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort.