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LVR

"Sie befördern nicht die Inklusion, sondern bewirken das Gegenteil!"

Ulrike Detjen, Vorsitzende DIE LINKE. im LVr

Haushaltsrede der Fraktionsvorsitzenden der LINKEN. im Landschaftsverband Rheinland für das Haushaltsjahr 2011

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrte Damen und Herren,

wir sollen heute über einen von der Verwaltung und der Gestaltungsmehrheit sogenannten Konsolidierungshaushalt abstimmen, der in Wahrheit ein Kürzungs- und Streichhaushalt ist. Begründet wird dies mit der Einnahmesituation des LVR und den weiter steigenden Pflichtleistungen. In dieser Situation möchte die Gestaltungsmehrheit ? und das wollen auch wir ? die Landschaftsumlage auf 17% erhöhen. Das bringt zwar prozentual eine größere Belastung der Städte und Kreise, aber keine wirkliche Einnahmensteigerung. Dennoch: Die Finanzsituation der Städte und Gemeinden ist schwierig.

Deshalb brauchen alle Kommunen und auch der LVR vor allem eines für die Erfüllung ihrer Aufgaben: Verlässliche Einnahmen. Das Konnexitätsprinzip ist in der Landesverfassung festgelegt. Die Antwort auf unsere Anfrage an die Kämmerei zeigt: Noch immer wird dieser Grundsatz auch vom Land gegenüber dem LVR zumindest im Maßregelvollzug nicht eingehalten. Hier ist Änderung notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ohne Einhaltung der Konnexität, ohne Sicherung der Kommunalfinanzen, ohne Reform der Eingliederungshilfe und ohne eine Erhöhung der Landeszuweisungen wird die Finanzsituation des LVR auf Dauer prekär bleiben. Bei diesen Entscheidungen sind Bundes- und Landespolitik gefragt. Bisher haben jedoch alle verantwortlichen Parteien dazu beigetragen, dass die Kommunen ausbluten, dass ihnen Lasten aufgebürdet werden, die nicht finanziert werden. Geld ist genug da in dieser Gesellschaft ? es muss so besteuert werden, dass die öffentlichen Aufgaben erfüllt werden können.

Eine weitere Gefahr für die Finanzen des LVR droht aus der Beteiligung an der WestLB. Alle Anteilseigner brauchen eine zusätzliche Unterstützung des Bundes bei der Umwandlung der WestLB in ein solides Unternehmen. An einem solchen muss sich der LVR aus unserer Sicht jedoch überhaupt nicht mehr beteiligen.

Das Abenteuer WestLB zeigt: Renditewahn und Profitgier bereichern nur wenige ? und belasten die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Sie führen zu Standardsenkungen und Verlust an Lebensqualität für viele. Das Abenteuer WestLB wird die vorgesehene Rücklage von 120 Mio. Euro auffressen. Und: wir alle wissen noch nicht, was uns die Erste Abwicklungs-Anstalt noch kosten wird, welche Haftungsrisiken tatsächlich in Anspruch genommen werden

Ein großer Teil der Kürzungen und Streichungen, die in diesem Haushalt vorgesehen sind, wäre ohne dieses Abenteuer nicht notwendig.

Sehr geehrte Frau Lubek, sehr geehrte Frau Hötte, sehr geehrte Herren und Damen von der Verwaltung:

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken: Sie haben die Politik umfassend und transparent über alle WestLB-Vorgänge informiert. Wir konnten die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen in Kenntnis dessen, was wir beschließen, unterstützen. Ich weiß aus meiner Partei, dass das in anderen Institutionen nicht so gewesen ist.

Meine Damen und Herren, Ihre Streich-Konsolidierung scheint das Gebot der Stunde zu sein. Wir alle wissen jedoch: Dies ist mit schmerzhaften Eingriffen in die Lebensverhältnisse von Menschen verbunden. Sie trifft vor allem Menschen mit Behinderungen.

Für die LINKE ist der Maßstab zur Beurteilung solcher Maßnahmen: Nützen sie der Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft, befördern sie die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben? Die vorgeschlagenen Kürzungen werden uns auf einen falschen Weg bringen. Die Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist kein Sparmodell. Sie erfordert Anstrengungen in der ganzen Gesellschaft.

Nun zu den Konsolidierungsmaßnahmen: Sie halten fest an den ? ich zitiere aus dem Vorbericht ? ?restriktiven Regelungen der Personalbewirtschaftung? ? Regelungen, die so restriktiv sind, dass immer noch sachlich nicht begründete befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden. In einigen Kliniken werden erneut befristete Verträge abgeschlossen und das ist bei einem Teil der Therapeutinnen an den Schulen der Fall. Vertrag läuft aus, Stelle wird nicht neu besetzt ? siehe Düren ? so sinkt dann, wie beabsichtigt, der Therapeutenschlüssel. Damit sollte endlich Schluss sein.

Der LVR wird in Zukunft noch ein ganz anderes Problem bekommen: Die demografische Entwicklung wird es auch für uns schwieriger machen, neues gutes Personal zu gewinnen. Und wenn wir das Personal restriktiv behandeln, erst recht.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Gestaltungsmehrheit, Sie haben mit dem Antrag 13/96 einen Interpretationsbeschluss zum vorliegenden und für künftige Haushalte vorgelegt. Sie stellen praktisch wesentliche Teile ihres Koalitionsvertrages zur Abstimmung. Im letzten Jahr haben Sie alle Anträge der LINKEN abgelehnt mit dem Argument, sie hätten nicht mehr in den Fachausschüssen beraten werden können. Jetzt kam Ihr Eckpunkte-Antrag so spät ? am 24. Januar ? dass er nicht einmal mit der notwendigen Antragsfrist in relevanten Ausschüssen ? HPH, Schulausschuss ? beraten werden konnte. Einzelnen Punkten Ihres Antrags könnten wir zustimmen. Sie haben zwei Anträge von uns auf ihre Weise aufgegriffen ? die Zuschüsse für Ferienmaßnahmen für Heimbewohner, die Ausweitung der Ferienunterstützung für Menschen im betreuten Wohnen und die Aufrechterhaltung der individuellen Freizeitmaßnahmen und der Leuchtturmprojekte in diesem Bereich.

In welchem Umfang und mit welchen Mitteln dies geschehen soll, bleibt zumindest für die Mitglieder der Landschaftsversammlung, die nicht der Gestaltungsmehrheit angehören, im Dunkeln.

Die CDU will die Ferienmaßnahmen ebenfalls erhalten, legt aber Rechenkunststücke vor, die nicht haltbar sind. Die sogenannten Konsolidierungsbeiträge jedoch ? tatsächlich Kürzungen ? im Haushaltsplan bleiben bestehen. Das lehnen wir ab. Denn was heißt das konkret?

Wollen Sie tatsächlich Menschen mit Behinderungen den Zuschuss zum Vereinsbeitrag oder zum Fußballticket wieder wegnehmen, nachdem sie diese Zuschüsse im letzten Jahr erhalten haben? Das ist das Gegenteil von Inklusion.

Die Kürzung der Zuschüsse zu Ferienmaßnahmen wird flächendeckend dazu führen, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Urlaub vom Munde absparen müssen und gesellschaftliche Veranstaltungen ? wie Ausflüge oder einmal im Urlaub auswärts Essengehen ? entfallen. So verschärft sich die Abschottung im Urlaub ? das ist das Gegenteil von Teilhabe.

Dasselbe gilt für die Aussetzung des Therapeutenschlüssels an den LVR-Schulen. Sie erklären zwar, dass der Therapeutenschlüssel nach Überprüfung auch gesenkt werden könne ? der Haushaltsansatz jedoch bleibt der gleiche wie im Entwurf. Viele Eltern sind tief besorgt und haben das in vielfachen Schreiben, durch ihren Protest mit ihren Kindern zum Ausdruck gebracht.

Sie führen den Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Beispiel an. Dort ist die Situation jedoch alles andere als rosig. Selbst die Schulleitungen protestieren bereits. Ich zitiere aus der Stellungnahme des Arbeitskreises der Schulleitungen: ?Bereits die jetzige Arbeitsverdichtung (v.a. durch den Druck einer zu hohen Therapieauslastung ?) führt bereits zu einer oft grenzwertigen pädagogischen Situation.?

Ist es das, was Sie anstreben? Die Gestaltungsmehrheit erklärt, der LVR wolle in diesem Bereich Mehreinnahmen aus anderen Quellen erzielen. Das sieht jedoch der Haushaltsentwurf auch längst vor. Wenn die Verwaltung bislang nicht alles unternommen hat, um andere mögliche Finanzierungsquellen heranzuziehen, wird es jetzt allerhöchste Zeit. Dazu muss man aber nicht Eltern und Kinder in Unruhe und Besorgnis versetzen. Wir könnten uns gut dem Vier-Punkte-Papier der Schulpflegschaften anschließen.

Die LINKE erkennt an, dass die Verwaltung im Rahmen der Konsolidierung bemüht ist, die gesetzlich bestehenden Einnahmequellen besser zu nutzen. Das ist aus unserer Sicht tatsächlich ein solider Beitrag zur Konsolidierung.

Nicht solide sind die Vorschläge der CDU-Fraktion ? die Wiederauflage der letztjährigen Anträge ist wenig hilfreich und nicht innovativ ? wahrscheinlich haben Sie deshalb ihren letztjährigen Innovationsantrag auch nicht wieder vorgelegt. Und mal so eben aus dem Handgelenk die Erhöhung der Landschaftsumlage auf nur 16,5 statt auf 17 Prozent zu beantragen, wie Sie es im Finanzausschuss getan haben, ist ziemlich waghalsig.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Gestaltungsmehrheit, Sie wollen einen sogenannten Dreiklang der Konsolidierung beschließen ? bestehend zum einen aus der Inanspruchnahme von Teilen der Ausgleichsrücklage und der Erhöhung der Landschaftsumlage ? das sind wir dabei. Zum anderen sollen die Dezernate einen Kürzungsbeitrag anteilig zu ihrem Anteil am Haushalt erbringen. Das ist nichts anderes als das Rasenmäherprinzip ? gleichmäßige Kürzung über alle Dezernatshaushalte. Über dieses Steinzeit-Verfahren sind viele Kommunen ? wie z.B. die Stadt Köln ? schon längst wieder hinaus. Wenn 90 Prozent der Ausgaben des LVR Pflichtausgaben sind, kann dieses Verfahren nicht aufgehen. Deshalb lehnen wir es ab.

Wir hegen die begründete Befürchtung, dass mit den genannten Kürzungen die Unterstützung von Menschen beschnitten wird, die sich wenig zur Wehr setzen können und für die Verwaltungsvorgänge oft genug als ein Buch mit sieben Siegeln oder wie schwer überwindbare Hürden erscheinen. Wenn diese Gesellschaft Inklusion will ? und mit der Unterzeichnung der UN-Konvention hat sie dies bekundet ? muss sie andere Wege beschreiten als die kleinliche Behandlung der Ansprüche von Menschen mit Behinderungen. Dann müssen Land und Bund für eine angemessene Finanzierung sorgen und der LVR muss sich anstrengen, alle Mittel, die möglich sind, einzutreiben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

-  Der vorliegende Haushalt ist ein Haushalt auf Kosten der Beschäftigten,

-  Die vorgesehenen Kürzungen werden zu Lasten von Kindern und erwachsenen Klientinnen und Klienten gehen,

- Sie befördern nicht die Inklusion, sondern bewirken das Gegenteil

Darum werden wir den vorliegenden Haushaltsantrag ablehnen.