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Hermann Dierkes, Duisubrg

"Soziale Ausgewogenheit erhalten, lebenswichtige Strukturen, demokratische Beteiligungsmöglichkeiten und Instrumente kommunaler Selbstverwaltung nicht zerstören"

Rede von Hermann Dierkes, Fraktionsvorsitzener DIE LINKE. im Rat der Stadt Duisburg, zum Beschluss des Rates zum Haushaltssanierungsplan / Haushalt 2012

 

Herr Bürgermeister, werte Mitglieder des Rates, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

 

die diesjährige Haushaltsdebatte steht unter besonderen Vorzeichen. Nach zahllosen Vorstößen aus der Kommunalfamilie und ihrer Spitzenorganisationen, nach vielen Protesten hat das Land das Gemeindehaushaltsrecht verändert, die Fristen für ein Haushaltssicherungskonzept verlängert, die Verteilung der GFG-Mittel erfolgt gerechter. Auch der Bund hat sich endlich bewegt und übernimmt die Grundsicherung im Alter. Und es gibt den Stärkungspakt Stadtfinanzen des Landes. Alles Maßnahmen, die endlich einmal in Rechnung stellen, dass die große Mehrzahl der Kommunen in NRW finanziell schwimmt oder bereits landunter meldet. Bei allen, auch schweren Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen auf kommunaler Ebene ? ich erwähne nur Gebag, DBV, TaM oder City-Palais - die wesentlichen Ursachen sind klar, es ist die anhaltende Umverteilungspolitik von unten nach oben, mit der sich verschiedene Bundesregierungen versündigt haben und eine kommunalfeindliche Politik, die den Kommunen  eine angemessene Finanzausstattung für ihre gesetzlichen Pflichtaufgaben verweigert. Das muss sich ändern und wir erwarten von einer neuen Bundesregierung ein entsprechend zügiges und mutiges Handeln!

Der Stärkungspakt Stadtfinanzen löst die Finanzmisere der Kommunen nicht grundsätzlich und nachhaltig. Er kann es auch nicht, weil der Bund für Steuern und Sozialgesetze hauptverantwortlich ist. Deshalb sagen wir: Wir nehmen notgedrungen am Stärkungspakt des Landes teil, aber er verschreibt uns eine Rosskur mit ungewissen Heilungschancen. Faktoren außerhalb der kommunalen Reichweite, Gerichtsurteile wie jüngst zu den KdU, aber insbesondere eine neue schwere Wirtschafts- und Finanzkrise, Steuerverluste und Zinssprünge könnten alle Planungen über den Haufen werfen. Doch dafür sind andere verantwortlich. Und diese sind mit ihrer Verantwortung an den entsprechenden Stellen zu konfrontieren.

Als eine von 34 Kommunen wird Duisburg binnen 10 Jahren mit rd. 420 Mio. Euro an den Mitteln des Stärkungspakts partizipieren. Die Verwaltung hat nach monatelanger Arbeit ein Maßnahmenpaket vorgelegt, um den Haushalt zusätzlich zu dem fortgeschriebenen HSK in Höhe von rd. 120 Mio. Euro um weitere 61 Mio. bis 2016 und um 82 Mio. bis 2021 zu verbessern. Ab 2021 muss unsere Stadt den Haushaltsausgleich ohne jede besondere Finanzhilfe des Landes erreichen.

Nach wochenlangen und intensiven Beratungen in unserer Fraktion und mit unseren Kooperationspartnern sind wir davon überzeugt: das Maßnahmenpaket der Verwaltung ist nicht alternativlos. Nicht alles, was zur Haushaltserleichterung beiträgt, ist politisch sinnvoll und vertretbar.

Im Ergebnis wollen wir es substantiell verändern. Rd. 30 der 140 Maßnahmen lehnen wir komplett ab, 17 sollen deutlich verändert werden. Das Volumen macht mit rd. 22 Mio. Euro ein Drittel der Verwaltungsvorschläge aus.

Die Erarbeitung unserer Alternative war ein hartes Stück Arbeit. Vorausgegangen waren monatelange Diskussionen ? auch mit zahlreichen bürgerschaftlichen Akteuren, städtischen Töchtern, Personalräten und Verwaltung. Wir haben die vielfältigen Proteste, besorgten Anfragen und Vorschläge aus der Stadtgesellschaft ernsthaft geprüft. Wir wollen, dass die Bürgerbeteiligung im Haushaltsgeschehen in dieser Stadt künftig ausgebaut und kultiviert wird. Dass damit Lern- und Erfahrungsprozesse für Politik, Verwaltung und Bürgerschaft verbunden sind, versteht sich von selbst.

Ziel der LINKEN war es, soziale Ausgewogenheit zu erhalten, lebenswichtige Strukturen, demokratische Beteiligungsmöglichkeiten und Instrumente kommunaler Selbstverwaltung nicht zu zerstören. Dafür mussten wir selbstverständlich auch Kompromisse eingehen ? in der eigenen Fraktion, in der Kooperation sowie im Rahmen gesamtstädtischer Überlegungen. Was wir ablehnen, sind  insbesondere saftige Beitragserhöhungen für Kindertages-einrichtungen, aber auch alle Maßnahmen, die soziale Hilfseinrichtungen existenziell bedrohen würden. Ablehnen wollen wir auch alles, was Sprachförderung gerade in einer Stadt wie Duisburg zurückwirft, bildungs- und jugendpolitische Angebote zerstört und was dem Druck auf die Tarife der Beschäftigten bei Reinigungsdiensten, der Hausmeister oder der Beschäftigten der Wirtschaftsbetriebe Tür und Tor öffnen würde.

Rat, Bezirksvertretungen und Fachausschüsse sollen ab der nächsten Wahlperiode verkleinert werden. Die Politik selbst muss auch ihren Beitrag zur Haushaltsverbesserung leisten. Den sehr weit gehenden Vorschlägen der Verwaltung wollen wir aber nicht folgen, weil damit ein Abbau von Demokratie und Bürgernähe befürchtet werden muss. Aus diesem Grund lehnt DIE LINKE auch die Einstellung von Behinderten- und Seniorenbeirat ab.

Bis 2023 werden rd. 1.200 Beschäftigte der Verwaltung altersbedingt und geschätzte 600 durch Fluktuation ausscheiden. Seit langem häufen sich Konflikte um Unterbesetzung, die Abwicklung von enormen Zeitguthaben und Berufsperspektiven. DIE LINKE setzt sich entschieden für ein Personalentwicklungskonzept ein, das  Aufgabenbewältigung, Ausbildung und Übernahme auch in der Verwaltung einer überschuldeten und schrumpfenden Stadt sichert. Wir erwarten von der Stadtspitze, dass sie die Informations- und Mitbestimmungsrechte des Personalrats nicht nur strikt beachtet, sondern ein neues Kapitel in der konstruktiven Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmer-vertretung aufschlägt. Wir erwarten eine Umsetzungsvereinbarung hinsichtlich der Konsequenzen aus HSK und HSP zwischen Verwaltung und Personalrat.

Ernst machen will die Kooperation mit der Umstrukturierung von Teilen der Verwaltung und einiger städtischer Töchter (u.a. DMG, IDE). Auch der Einkauf soll komplett neu organisiert werden. Davon versprechen wir uns erhebliche Effizienzgewinne und Kosteneinsparung. Wir wollen mit einer realistischen Einsparsumme starten und ohne Luftbuchungen. Wir halten es in diesem Zusammenhang für bemerkenswert, dass die CDU ? die anderen gerne Luftbuchungen vorwirft ? aus einer Neuorganisation des Einkaufs die ursprüngliche und sehr mangelhafte und unhaltbare Gutachterposition von 30 Mio. Euro im HSP festschreiben will. Das ist schon kein haushaltspolitischer Luftballon mehr, sondern ein ganzes Luftschiff. Die Hindenburg-Katastrophe von 1937 lässt grüßen. So etwas ist nicht nur nicht genehmigungsfähig, sondern einfach albern.

Meine Damen und Herren,
auch wir unterstützen das vom Stadtsportbund vorgeschlagene Bäderkonzept, das alternativ zu den weitgehenden Schließungsvorschlägen der Verwaltung steht. Wir möchten uns ausdrücklich für die konzeptionellen Überlegungen des SSB bedanken. Sie haben uns sehr geholfen.

Wir wissen, dass wir Walsum und Homberg mit der Aufgabe von Freibäderbe-reichen einiges abverlangen, um Schlimmeres zu verhindern. Auch im Bezirk Süd kommen keine zustimmenden Rufe angesichts der weiterhin ungewissen Zukunft der Bäderlandschaft. Im gesamtstädtischen Interesse sehen wir derzeit aber keine sinnvollen Alternativen und bitten zu bedenken: Unsere Stadt behält auch künftig über ein Dutzend Bäder, weitere ? auch populäre - Freibademöglichkeiten nicht mitgerechnet.  Wir würden uns übrigens freuen, wenn die Auslastung unserer Bäder das ganze Jahr über deutlich steigen würde.
Da allerdings bereits über 50 % von Vereinen geführt werden, was die Nutzung ? neben dem auch künftig gesicherten Schulschwimmen ? auf Vereinsmitglieder beschränkt, strebt die LINKE eine Verständigung mit dem SSB über Bürgerschwimmzeiten an.

Was die heiß diskutierte Zukunft der Opernehe mit Düsseldorf betrifft, so war für uns immer klar: Eine Schließung von erstklassigen Kultureinrichtungen und die Zerstörung ihres Verbunds kommt überhaupt nicht infrage. Andererseits muss angesichts der haushaltspolitischen Zwangslage alles auf den Prüfstand, insbesondere große Kostenblöcke. Die LINKE setzt sich deshalb für den Kooperationsvorschlag ein, der eine Einsparvorgabe von knapp 1,5 Mio. vorsieht sowie  präzisierende Hinweise für die künftige Geschäftspolitik und Programmgestaltung. Der LINKEN ist es besonders wichtig, dass endlich die veränderte Zusammensetzung unserer Stadtbevölkerung in den Programmen von Sprechtheater, Oper und Philharmonie berücksichtigt wird. Das Angebot entspricht bis heute nicht der multikulturellen Zusammensetzung unserer Stadtbevölkerung, ihren Bedürfnissen und Potentialen. So hat auch der Städtetag unlängst an die Kommunen appelliert, hier deutlich mehr zu tun. Wir sind sicher, dass eine aufgeschlossene Herangehensweise sich auch positiv für die Finanzierung der Kulturaufgaben auswirken würde. Duisburg muss nicht nur als Oberzentrum für viele umliegende Kommunen Kulturangebote vorhalten, sondern sollte sich auch durch eine beispielgebende Kulturpolitik auszeichnen, die die gesamte Stadtbevölkerung im Auge hat. Die Schließung der Rheinhausenhalle lehnen wir auch aus diesem Grund ab.

Die von den LINKEN unterstützten Kompensationsvorschläge sehen ? neben den Einspareffekten aus Reorganisation von Verwaltung und früheren Ausgründungen - vor allem deutliche Dividendensteigerungen der großen Töchter vor, dazu sind wir übrigens gesetzlich verpflichtet. Wir wollen eine erhebliche Kostensenkung bei der Fremdanmietung von Büroraum sowie eine ? im Unterschied zur Verwaltung um jeweils 2 Jahre vorgezogene moderate Steigerung der Gewerbe- und Grundsteuer B  ab 2014 in mehreren Schritten. Damit ist aber auch klar, dass die von uns für richtig gehaltenen Änderungen des Verwaltungspakets nicht einfach durch erhöhte Kommunalsteuern gegenfinanziert werden sollen. Diese sind nur ein Faktor bei der Gegenfinanzierung und wir können die reflexartige Kritik von Interessen-verbänden nicht nachvollziehen. Wer eine lebendige und attraktive Stadt haben will, wer eine gut ausgebaute Struktur, effiziente Verwaltung und die weichen Standortfaktoren zu schätzen weiß, der muss auch als wirtschaftlicher Akteur das seine dazu beitragen.

Eine Privatisierung von städtischen Gesellschaften ? wie sie von CDU, FDP und DWG beantragt werden - kommt für die LINKE nicht infrage. Wir wollen weder die Kühe schlachten, die den Stadtfinanzen die Milch geben sollen, noch Tausende von Beschäftigten, ihre Familien und die Mieter der Gebag in Angst und Schrecken versetzen.

Angesichts der Haushaltskrise und unabwendbarer Einschnitte haben wir keinen Grund zum Jubeln. Wir wollen aber mit den Finanzhilfen des Landes das Beste aus der Situation machen. Wir sind davon überzeugt, dass der rot-rot-grüne Sanierungsplan vom Rat verabschiedet und von der Kommunalaufsicht genehmigt wird. Damit würde ein neues Haushaltskapitel aufgeschlagen, ein Stück kommunale Selbstverwaltung wieder hergestellt.

Ich danke für die Aufmerksamkeit