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Bundesgeschäftsstelle DIE LINKE

Formulierungsvorschlag für einen kommunalen Antrag: Übernahme von Heizkosten-Nachforderungen bei Hartz IV und Sozialhilfe aus Anlass der gestiegenen Energiepreise

Problembeschreibung

Für Heizöl und Kraftstoffe ist seit März 2021 ein deutlicher Preisanstieg zu verzeichnen, im November 2021 lagen sie um 51,3 Prozent höher als im November 2020 (https://www.destatis.de, Verbraucherpreisindex für Deutschland – Sondergliederungen – Veränderungsraten zum Vorjahresmonat in %, abgerufen am 6.12.2021). Auch die Preise für Gas und andere Brennstoffe sind zuletzt deutlich gestiegen und lagen im November 2021 um 12,2 Prozent höher als im November 2020 (ebd.).

MieterInnen müssen daher unabhängig von ihrem Verbrauch mit höheren Kosten für Heizenergie und mit entsprechenden Nachforderungen für Betriebskosten rechnen. Besonders hart trifft das Menschen mit niedrigem Einkommen.

Für Erwerbslose und AufstockerInnen müssen die Jobcenter in der Regel die Nachforderungen für Heizenergie übernehmen. Denn Nachforderungen gehören zu den sogenannten Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH), die bei Hartz IV (offiziell: Grundsicherung für Arbeitsuchende) übernommen werden müssen, genau wie die Miete und reguläre Betriebskostenzahlungen. Dasselbe gilt für die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die von den Sozialämtern gezahlt wird.

Das gilt allerdings nur, wenn die Kosten als „angemessen“ bewertet werden (§ 22 Abs. 1 SGB II bzw. §§ 35, 42 a SGB II). Was als angemessen gilt, wird in kommunalen Richtwerten festgelegt. Dies geschieht in aller Regel in Euro, nicht in Energieeinheiten. Deshalb können Preissteigerungen, wie sie aktuell stattfinden, darin nicht abgebildet werden. Wenn die Kostenübernahme allein anhand dieser Richtwerte geprüft würde, würden viele Betroffene zu wenig Geld erhalten. Sie wären dann gezwungen, diese Preissteigerungen aus ihrem Regelsatz zu bestreiten, obwohl der Regelsatz nicht für Heizkosten vorgesehen und ohnehin schon kleingerechnet ist. Selbst dieses offizielle und viel zu knappe Existenzminimum wäre nicht gedeckt, wenn man daraus Heizkosten nachzahlen müsste.

Eine Corona-Sonderregelung löst das Problem für zahlreiche Betroffene: Wohnkosten werden sechs Monate lang in tatsächlicher Höhe übernommen (§ 67 Abs. 3 SGB II). Das gilt neben der Kaltmiete auch für Nebenkosten. Die Jobcenter sind also auch zur Übernahme von Nachforderungen in der tatsächlichen Höhe verpflichtet. Diese Sonderregelung gilt aber nicht für Personen, bei denen schon vor der Corona-Pandemie nicht die vollen Wohnkosten erstattet wurden. Im Jahr 2020 waren davon 17 Prozent aller Grundsicherungs-Haushalte betroffen (Kleine Anfrage zur Wohnkostenlücke 2020,BT-Drs. 19/31600, www.linksfraktion.de/parlament/parlamentarische-initiativen/detail/wohnkostenluecke-2020/). Außerdem ist nicht geklärt, was die Sonderregelung bedeutet, wenn Leistungen in einem Bescheid für länger als sechs Monate bewilligt werden.

Die Preissteigerungen können allerdings in der Einzelfallprüfung der Kostenübernahme berücksichtigt werden. Wenn die Überschreitung der Richtwerte auf der Preisentwicklung beruht und nicht an einem unangemessenen Verbrauch, sind die Kosten als angemessen einzustufen und müssen deshalb übernommen werden. Aber wenn für jeden Einzelfall viele Nachweise geprüft werden müssten, droht ein unverhältnismäßig hoher Aufwand – sowohl für die Leistungsberechtigten als auch für die Jobcenter und Sozialämter.

Lösung

Es müssen Vorgaben für die Einzelfallprüfung getroffen werden. Angesichts der aktuellen allgemeinen Preissteigerungen für Heizenergie und der zu erwartenden zahlreichen Nachforderungen ist ein einfaches, bürger- und verwaltungsfreundliches Verfahren notwendig. Die Kommunen und kreisfreie Städte sollten daher bindende, klare und umsetzbare Anweisungen an die Jobcenter und Sozialämter erlassen. Jobcenter und Sozialämter sollten verpflichtet werden, die genaue Preissteigerung seit Erlass der kommunalen Richtwerte bei ihrem Statistischen Landesamt zu erfragen und die Richtwerte um den betreffenden Wert zu erhöhen.

Formulierungsvorschlag für einen Antrag im Kreistag bzw. Stadtrat

(Die Fußnoten enthalten Hinweise für die Umsetzung vor Ort. Vor Einbringung des Antrags müssen die Fußnoten gestrichen werden.)

Beschluss des Kreistages bzw. Stadtrates1

Der Landrat/Die Landrätin2 wird aufgefordert, im Rahmen seines/ihres Weisungsrechts die geltenden Regelungen für die Übernahme der Kosten für Heizung im SGB II sowie im SGB XII3 dahingehend zu ergänzen, dass Nachforderungen für Heizkosten als konkret angemessen zu bewerten sind, wenn sie sich im Rahmen von Preissteigerungen seit Erlass der geltenden Richtwerte beruhen. In diesen Fällen ist davon auszugehen ist, dass sie nicht auf einem Mehrverbrauch, sondern auf gestiegenen Preisen beruhen.

Die Prüfung, ob eine Nachforderung sich im Rahmen von Preissteigerungen bewegt, muss von Amts wegen erfolgen, sofern der Erlass der geltenden Regelungen länger als einen Monat vom Ende des Abrechnungszeitraum zurückliegt. Dabei müssen die geltenden Richtwerte um die amtlich ermittelte Preissteigerung für den jeweiligen Energieträger erhöht werden. Die Preissteigerung seit Erlass der geltenden Richtwerte ist beim Statistischen Landesamt4, alternativ beim Statistischen Bundesamt zu erfragen. Dabei ist die Steigerung für die Energieträger gesondert zu erfragen.

Sofern die Summe aus Vorauszahlungen und Nachforderung unterhalb der erhöhten Richtwerte liegt, ist die Nachforderung zu übernehmen.

Begründung

Seit Jahresmitte 2021 sind bei Heizkosten extreme Preissteigerungen zu verzeichnen, etwa im November 2021 im Vergleich zum November 2020 um 51,3 Prozent für Heizöl und Kraftstoffe sowie um 12,2 Prozent für Strom, Gas und andere Brennstoffe  (www.destatis.de,  Verbraucherpreisindex für Deutschland – Sondergliederungen – Veränderungsraten zum Vorjahresmonat in %, abgerufen am 13.1.2022).

Sowohl für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (geregelt im SGB II) als auch für die Hilfe zum Lebensunterhalt sowie die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (geregelt im SGB XII) ist vorgesehen, dass die Angemessenheit von Heizkosten nicht nur allgemein festgelegt, sondern auch im Einzelfall geprüft wird (§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II, §§ 35 Abs. 2 S. 1, 42 Abs. 1 SGB XII).

In diese Einzelfallprüfung müssen auch die aktuellen Preissteigerungen bei Heizenergie einbezogen werden. Denn für die Frage, ob Heizkosten als angemessen angesehen und übernommen werden müssen oder als unangemessen angesehen und nicht übernommen werden müssen, muss letztlich der Verbrauch entscheidend sein. Ohne die Berücksichtigung der Preissteigerungen müssten Preissteigerungen aus dem Regelbedarf finanziert werden. Damit droht eine Unterdeckung des Existenzminimums und eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht hat für die Festsetzung der Regelbedarfe festgestellt, dass der Gesetzgeber bei einer offensichtlichen und erheblichen Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und den geltenden  Regelbedarfsstufen verpflichtet ist, zeitnah zu reagieren und nicht auf die nächste Fortschreibung der Regelbedarfe zu warten (BVerfG, 1 BvL 10/12, Rn. 144). Gleiches muss für die Kosten der Unterkunft und Heizung gelten, da auch diese Teil des Existenzminimums sind.

Zuständig sind die kommunalen Gebietskörperschaften als Träger der Kosten der Unterkunft und Heizung gem. §§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 44b Abs. 3 S. 2 SGB II bzw. § 3 Abs. 2 SGB XII.

Die zuständigen Stellen können sich an das Statistische Landesamt wenden, denn dieses ist zuständig für die Beratung von öffentlichen Stellen der Gemeinden und der Landkreise in statistischen Angelegenheiten (§ 3 Abs. 2 Nr. 7 Landesstatistikgesetz BaWü, § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Bayerisches Statistikgesetz, § 12 Nr. 6a Landesstatistikgesetz Bremen,  § 2 Abs. 2 Nr. 8b Hessisches Landesstatistikgesetz, § 3 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 Landesstatistikgesetz M-V, § 2 Abs. 2 Nr. 6 Landesstatistikgesetz Rheinland-Pfalz, § 3 Abs. 2 Nr. 2 Saarländisches Landesstatistikgesetz, § 3 Abs. 2 Nr. 6 Sächsisches Statistikgesetz, § 5 Abs. 1 Nr. 3 Thüringer Statistikgesetz5).

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1Das kommunale Gremium sollte konkret bezeichnet werden.
2Die Begriffe „Landrat“ bzw. „Landrätin“ müssen ggf. durch die jeweilige örtliche Bezeichnung ersetzt werden.
3Die Formulierung „die geltenden Regelungen für die Übernahme der Kosten für Heizung im SGB II sowie im SGB XII“ kann ggf. durch die genauen Bezeichnungen der örtlichen Regelungen ersetzt werden. Dabei muss allerdings darauf geachtet werden, dass die Regelungen für SGB-XII-Leistungen einbezogen werden.
4Das Statistische Landesamt des Bundeslandes sollte genau bezeichnet werden.
5Hier muss die entsprechende gesetzliche Vorschrift des jeweiligen Bundeslandes ausgewählt werden.


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