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Fraktion DIE LINKE. im Kreistag Rhein-Erft

Öffentlich geförderter Beschäftigungssektor für Langzeitarbeitslose im Rhein-Erft-Kreis

Die Fraktion beantragt:

  1. Der Rhein-Erft-Kreis unterstützt aktiv den Aufbau eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors für Langzeitarbeitslose im Rhein-Erft-Kreis. Dabei sollen vorrangig Arbeitsplätze im kommunalen Bereich, also beim Kreis, den Städten, Stadtwerken sowie bei Trägern im gemeinnützigen, sozialen und ökologischen Bereich geschaffen und angeboten werden. Die Verwaltung wird beauftragt ein Konzept für einen solchen Beschäftigungssektor zu erarbeiten.
  2. In Ergänzung der im so genannten „Teilhabechancengesetz“ der Bundesregierung vorgesehe-nen Maßnahmen soll der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor für Langzeitarbeitslose im Rhein-Erft-Kreis dabei folgende Ziele verfolgen bzw. folgende Kriterien beachten:
    • Es werden unbefristete und uneingeschränkt sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in kommunalen, gemeinnützigen und gesellschaftlich nutzbringenden Bereichen angeboten und gefördert.
    • Es gilt das Prinzip der strikten Freiwilligkeit; d.h. die Langzeitarbeitslosen können sich auf geförderte Arbeitsangebote bewerben. Eine Zuweisung zu Arbeitsangeboten und eine Sanktionierung (Kürzung von Leistungen) lehnt der Rhein-Erft-Kreis ab.
    • Die Vergütung soll tariflich sein und mindestens 12 EUR/Stunde betragen bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche.
    • Qualifizierungsmaßnahmen sind Teil der Beschäftigung. Ebenso erfolgt Unterstützung und Training für Bewerbung auf andere Stellen.
  3. Der Rhein-Erft-Kreis unterstützt die den vorgenannten Kriterien entsprechenden Beschäftigungsmaßnahmen mit 1,5 Mio. EUR jährlich. Die Mittel werden im Haushalt bereitgestellt. Die Verwaltung wird sich um Akquise ergänzender Fördermittel bemühen.

Sachdarstellung:

  1. Auch im Rhein-Erft-Kreis gibt es eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit, wie die Statistik des Jobcenters zeigt: Im September 2018 waren 37.144 Menschen (in 17.737 Bedarfsgemeinschaften) im Kreis im Hartz IV-Bezug, darunter 7.291 Langzeitarbeitslose. Das sind aktuell 55 % aller gemeldeten Arbeitslo-sen (13.322). Davon waren allein 1.587 länger als 5 Jahre arbeitslos. Im September 2017 gab es nach der Statistik 8.126,
    • im September 2016: 9.049,
    • im September 2015: 9.040,
    • im September 2014: 8.990,
    • im September 2013: 8.879,
    • im September 2012: 8.423,
    • im September 2011: 8.543 und
    • im September 2010: 9.069 Langzeitarbeitslose.
      Weder die gute konjunkturelle Entwicklung in den letzten Jahren, noch die bisherigen Maßnah-men nach dem SGB II (wie. Z.B. 1-Euro-Jobs usw.) waren bzw. sind geeignet, die Langzeitarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen und langzeitarbeitslose Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen.
  2. Die vorstehend beschriebene Entwicklung der Langzeitarbeitlosigkeit gilt bundesweit. Im Bundestag wird deshalb derzeit das sog. Teilhabechancengesetzes (Gesetz zur Schaffung neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt - 10. SGB-ÄndG – BT-Drs. 19/4725) beraten. Es soll zum 01.01.2019 in Kraft treten.
  3. Die neue Gesetzesregelung enthält jedoch mehrere schwere Defizite bzw. Fehler:
    • Die Förderung soll nur Arbeitslose erfassen, die mindestens sieben Jahre innerhalb der letzten acht Jahre Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) erhalten haben.
    • Die Förderung ist zu niedrig, da sie nur einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt in maximaler Höhe des Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz vorsieht, was nachgewiesenermaßen nicht reicht, um ausreichend Ansprüche in der Rentenversicherung zu erwerben.
    • Die Begründung der geförderten Arbeitsverhältnisse soll auf der Basis von sanktionsbewehrten Zuweisungen erfolgen und nicht auf Basis von freiwilligen Bewerbungen. Damit wird von vornherein keine Grundlage für eine angestrebte mehrjährige bzw. dauerhafte Beschäftigung gelegt.
    • Das Teilhabechancengesetz sieht keine Arbeitslosenversicherung vor, was bedeutet, dass die betreffenden Langzeitarbeitslosen im Falle der Beendigung der Maßnahme nach Ablauf der Förderung oder im Falle der vorzeitigen Beendigung wieder unmittelbar in das Hartz IV-System zurückfallen.
  4. In Ergänzung der neuen gesetzlichen Instrumente ist es erforderlich, auch im Rhein-Erft-Kreis gezielt beschäftigungswirksame Maßnahmen für diesen besonders betroffenen Kreis der Arbeitslosen zu ergreifen, die jedoch die Fehler im Gesetz vermeiden bzw. korrigieren.
  5. Die im Rhein-Erft-Kreis zusätzlich geförderten Arbeitsangebote sollen nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zielen, sondern kommunale Bereiche sowie gemeinnützige, soziale und ökologische Bereiche erfassen. Das Problem der „Zusätzlichkeit“ der Stellen und Fragen der Verzerrung unternehmerischer Konkurrenz durch geförderte Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft wird damit im erheblichen Umfang reduziert, wenn nicht aufgehoben. Die Konzeption hierfür ist unter Auswertung der Erfahrungen mit Modellprojekten des sozialen Arbeitsmarktes in anderen Städten und Bundesländern zu erarbeiten. Eine Begleitung des Konzepts durch wissenschaftliche Unterstützung (z.B. Prof. Dr. Sell, Koblenz) sowie durch einen Beirat unter Beteiligung des DGB und der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst sollte dabei angestrebt werden.
  6. Maßnahmen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit ergeben nur dann einen Sinn, wenn von den betroffenen Arbeitslosen ein dauerhafter und nachhaltiger Ausstieg aus dem Hartz IV-System als realistisch angesehen wird. Das setzt die Möglichkeit voraus, sich auf geförderte Stellen (freiwillig) bewerben zu können, eine ausreichend hohe Vergütung, die jede Aufstockungsnotwendigkeit durch Hartz IV-Leistungen (wie z.B. Kosten der Unterkunft) ausschließt, und – wie bei jedem anderen Arbeitsverhältnis – eine uneingeschränkte Sozialversicherung auch nach dem SGB III, also zur Arbeitslosenversicherung, vorsieht.
  7. Der im Antrag vorgesehene finanzielle Bedarf kalkuliert, dass für Konzeptionierung, Begleitung und Personalaufwand ein jährlicher Aufwand von 200 TEUR vorgehalten werden sollte. Geht man in einer ersten Stufe von einer Zahl von 200 geförderten Arbeitsverhältnissen und einem Zuschussbedarf von rund 500 EUR je Förderung im Monat aus, so wären dies ein Ansatz von rund 1,2 Mio. EUR. Zuzüglich einer Sicherheitsreserve von 100 TEUR ergibt sich ein Gesamtaufwand von 1,5 Mio. EUR.
  8. Die Region befindet sich aufgrund des unausweichlichen Ausstiegs aus der Braunkohle im grundlegenden Strukturwandel. Dieser Wandel muss auch neue Chancen für die Langzeitarbeitslosen bieten, wenn er sozial sein soll. Deshalb sollte ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor im Rhein-Erft-Kreis integraler Bestandteil eines Strukturwandelkonzepts sein und entsprechend gefördert werden. Die Eigenmittel des Kreises sollten daher durch Akquise weiter Fördermittel ergänzt werden.
  9. Die Fördermaßnahmen kämen auch der Region und der Gesellschaft unmittelbar wie mittelbar zugute: Insbesondere werden die vom Kreis zu tragenden Leistungen für KdU verringert, ein nicht geringer Teil der Förderung fließt in die Sozialkassen zurück und die Nettozahlungen bei Menschen mit derart geringen Einkünften fließen vollständig in den Konsum, d.h. sie fördern insbesondere die regionale Wirtschaft und den regionalen Handel.
  10. Eine Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit für Menschen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch keine Chance auf Arbeit hatten bzw. haben, ist nicht nur ein Beitrag zur Umsetzung des Sozialstaatsgebots des Grundgesetzes sondern zugleich ein Beitrag zur Schaffung von Teilhabe an der Gesellschaft und damit ein Beitrag zum Zusammenhalt und zur Stabilisierung der Demokratie.

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