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Fraktion DIE LINKE. im Kreistag Rhein-Erft

Anfrage zu EU-Fördermitteln des Just Transition Fund (JTF) und Strukturhilfen für das Rheinische Revier

Sehr geehrter Herr Landrat,

der Rhein-Erft-Kreis ist als Teil des Rheinischen Reviers vom Ausstieg aus der Braunkohle unmittelbar und tiefgreifend betroffen. Der damit einhergehende Strukturwandel bedarf erheblicher ökonomischer und finanzieller Anstrengungen. Das Rheinische Revier kann diese Anstrengungen jedoch nicht aus eigener Kraft stemmen. Deshalb stehen dem Rheinischen Revier und den Kommunen und Gemeindeverbänden für notwendige Zukunftsinvestitionen Strukturhilfen zur Verfügung.

So hat der Bundestag mit dem Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen (Art. 1 Investitionsgesetz Kohleregionen) Finanzhilfen für die Kohleregionen beschlossen. Danach sind längstens bis zum Jahr 2038 insgesamt 40 Mrd. Euro vorgesehen, von denen 14 Mrd. Euro als Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und ihrer Gemeinden und Gemeindeverbände vorgesehen sind. Dem Land NRW und damit dem Rheinischen Revier steht von diesen Mitteln ein Anteil von 37 %, d.h. ein Volumen von 5, 18 Mrd. Euro zu.

Das Bundeswirtschaftsministerium erläutert diese Finanzhilfen wie folgt:

"Das "Strukturstärkungsgesetz" setzt die strukturpolitischen Empfehlungen der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" um. Es stellt somit einen besonderen, anlassbezogenen Baustein der Regionalpolitik dar. Mit dem Gesetz sollen aber nicht nur die Folgen des Ausstiegs aus der Kohleverstromung abgemildert werden. Die Kohleregionen sollen vielmehr eine echte Chance erhalten, nach dem Kohleausstieg besser dazustehen als zuvor. Hierfür erhalten die Braunkohleregionen gemäß Investitionsgesetz Kohleregionen bis zum Jahr 2038 Finanzhilfen von bis zu 14 Milliarden Euro für besonders bedeutsame Investitionen von Ländern und Gemeinden. Zudem unterstützt der Bund die Regionen durch weitere Maßnahmen in seiner eigenen Zuständigkeit mit bis zu 26 Milliarden Euro bis 2038, etwa durch Erweiterung von Forschungs- und Förderprogrammen, den Ausbau von Verkehrsinfrastrukturprojekten oder die Ansiedelung von Bundeseinrichtungen."

Daneben und ergänzend stellt auch die Europäische Union als Teil ihres "Green Deal" über den Just Transition Fund (JTF) Fördermittel bereit, die speziell für Regionen und Sektoren vorgesehen sind, die besonders von dem Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft betroffen sind, wie die Kohleregionen. Diese Regionen sollen zusätzliche Mittel für einen zukunftsorientierten Strukturwandel erhalten. Das Volumen des JTF beträgt bei einer Laufzeit von sieben Jahren 17,5 Mrd. Euro, von dem Deutschland knapp 2,3 Mrd. Euro zustehen. Legt man den im Strukturstärkungs-gesetz geregelten Verteilungsschlüssel zugrunde, stehen dem Rheinischen Revier aus dem JTF der EU 37 %, d.h. weitere 851 Mio. Euro zu.

Allerdings versucht die noch amtierende Bundesregierung, die ergänzende EU-Förderung umzuwidmen und die den Braunkohlerevieren zustehenden Fördermittel aus dem Just Transition Fund für Zwecke der Haushaltsanierung des Bundes einzusetzen.

Auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hat die Bundesregierung am 23.12.2020 mitgeteilt (siehe BT-Drucksache 19/25614 vom 23 .12.2020 -Antwort auf Frage 40) :

"Der Koalitionsausschuss hat am 25. August 2020 beschlossen, die zu erwartenden EU-Mittel aus dem Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fund - JTF) zur Erfüllung der Zusagen aus dem Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen (StStG) einzusetzen. JTF und StStG sind mit Blick auf die Maßnahmen und Projekte nicht vollständig deckungsgleich, zielen aber beide darauf ab, Regionen beim Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu unterstützen. Die Höhe der für die Kohleregionen erforderlichen Unterstützung wurde von der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" in einem gesamtgesellschaftlichen Kompromiss festgestellt. Die Absicht der Bundesregierung, Mittel aus dem JTF zur Erfüllung der Zusagen des StStG einzusetzen, ist haushaltspolitisch mit Blick auf die einzuhaltenden finanzverfassungsrechtlichen Verschuldungsspielräume geboten."
(Siehe: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/191256/1925614.pdf).

Daraufhin stellte die LINKE im EU-Parlament eine Anfrage, die von der zuständigen Kommissarin Elisa Ferreira im Namen der Europäischen Kommission am 16.03.21 (E-000 186/2021) u.a. wie folgt beantwortet wurde:

"Um die Wirkung des Fonds für einen gerechten Übergang zu optimieren und alle Aspekte eines gerechten Übergangs sicherzustellen, sollten die Mittel des Fonds die nationalen politischen Maßnahmen verstärken und nicht die nationalen Haushaltsmittel ersetzen, die für die Umsetzung des Strukturreformgesetzes (StStG2) in den Gebieten vorgesehen sind, auf die auch der Fonds abzielt. Diese nationalen Haushaltsmittel können allerdings in Form einer nationalen Kofinanzierung die im Rahmen der Programme des Fonds für einen gerechten Übergang bereitgestellte Unterstützung ergänzen."
(Siehe: www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2021-000186-ASW_DE.html)

Das heißt: Die von der Bundesregierung beabsichtigte Verrechnung der EU-Milliarden ist unzulässig und damit eine Zweckentfremdung. Allerdings kommt - was vernünftig sein dürfte - eine Kofinanzierung von Maßnahmen zum Strukturwandel in Betracht.

Die Auswirkungen der von der Bundesregierung beabsichtigten Zweckentfremdung der Fördermittel wären finanziell und damit für unsere Region auch wirtschaftlich gravierend, da dem Rheinischen Revier auf diesem Wege EU-Fördermittel i.H.v. 121,57 Mio. Euro jährlich - in 7 Jahren insgesamt: 851 Mio. Euro -vorenthalten würden. Es gebietet die politische Selbstachtung und die Verpflichtung der kommunalen Mandatsträger:innen in der Region, den Strukturwandel im Rheinischen Revier im Interesse der Menschen effektiv und erfolgreich zu gestalten und eine Zweckentfremdung der den Braunkohlerevieren zustehenden EU-Fördermittel, wie sie von der Bundesregierung beabsichtigt ist, konsequent zu verhindern.

Deshalb bitte ich zusammen mit den weiteren Mitgliedern unserer Fraktion die Kreisverwaltung um Beantwortung folgender Fragen:

1. Welche rechtlichen und sonstigen Handlungsmöglichkeiten bestehen für den Kreis und die kreisangehörigen Kommunen, um die von der Bundesregierung beabsichtigte Verrechnung von Fördermitteln der EU für die Braunkohleregionen mit Finanzhilfen aus dem Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen zum Nachteil des Rheinischen Reviers zu verhindern?

Aus der Antwort der EU-Kommissarin Ferreira vom 16.03.21 (E-000 186/2021) ergibt sich zudem der Hinweis, dass die EU-Regularien des Just Transition Fund (JTF) eine Beteiligung der Kommunalpolitik vorsehen. Es heißt dort:

"Gemäß dem der Kohäsionspolitik zugrunde liegenden Partnerschaftsprinzip müssen die Mitgliedstaaten die zuständigen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der betreffenden Gebiete in die Ausarbeitung der territorialen Pläne für einen gerechten Übergang einbeziehen. Gemäß Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung über den Fonds für einen gerechten Übergang müssen die Pläne eine Beschreibung der Lenkungsmechanismen enthalten, zu denen auch die Partnerschaftsvereinbarungen gehören."
(Siehe: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2021-000186-ASW_DE.html)

Daraus resultieren die weiteren Fragen:

2. Liegen bereits Partnerschaftsvereinbarungen für die Beteiligung der zuständigen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Rheinischen Revier für die Ausarbeitung der territorialen Pläne für den Just Transition Fund (JTF) vor?
a. Wenn ja: Wann wurden diese Vereinbarungen von wem geschlossen? - Ich bitte zugleich um Überlassung von Kopien oder um Akteneinsicht
b. Wenn nein: Gibt es bereits Entwürfe oder Vorüberlegungen für derartige Partnerschaftsvereinbarungen?
c. Gibt es Vorüberlegungen der Kreisverwaltung, welche Punkte aus Sicht des Rhein-Erft-Kreises in den Partnerschaftsvereinbarungen geregelt sein sollen?
3. Wann soll voraussichtlich eine Einbeziehung der politischen Gremien der zuständigen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Rheinischen Revier beim Just Transition Fund (JTF) bzw. der Ausarbeitung entsprechender territorialer Pläne erfolgen?


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